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Die Kirche kämpft mit ihrem schlechten Image, die sakralen Räume scheinen dennoch eine gewisse Anziehungskraft zu haben. Was ist das Besondere an diesen Orten?
Rico Gulda: Die sakralen Räume in den Stiften Oberösterreichs haben ganz unabhängig von den Herausforderungen, denen sie in der heutigen Zeit gegenüberstehen, eine für uns Musikliebende ganz besondere Anziehungskraft. Diese Orte strahlen eine einzigartige Atmosphäre der Besinnung aus, die es den Menschen ermöglicht, sich von der Hektik des Alltags zu lösen und in eine tiefere Dimension des Erlebens einzutauchen. Die Architektur spielt dabei eine zentrale Rolle, indem sie Räume schafft, die sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne Raum für Offenheit und Konzentration bieten. Die Geschichte, die diese Orte erzählen, ist eine Geschichte von gelebtem Glauben. Sie erinnert an jene Zeiten, in denen Stifte ebenso kulturelle und intellektuelle Zentren waren. Diese historischen Dimensionen berühren Musikschaffende und Publikum tief.
Wie wirkt sich das konkret aus?
Gulda: Die Spiritualität und Würde der Räume fördert eine besondere Sinnlichkeit in der Wahrnehmung von Musik. Sie verstärkt die emotionale Wirkung und macht Musik auf eine Weise erlebbar, die nur an diesen Orten möglich ist.
In einer Zeit, in der viele Menschen nach spiritueller Tiefe suchen, bieten die Stifte eine Art Ruhepol. Sie fördern eine Offenheit für das, was jenseits des Alltags liegt, und bieten die Möglichkeit, in eine Verbindung mit dem eigenen Inneren zu treten. Im Dialog zwischen Raum, Musik und einem selbst wird der Glaube an das Gute und Edle im ästhetischen Sinne erlebbar – ein Geschenk in der von Hektik und Unruhe geprägten Welt.
Kammermusik, Lesungen, Gespräche, Konzerte bei Nacht, Open-Air-Formate, Komponisten, die im Kloster wohnen und arbeiten: Die Programmauswahl für 2025 ist wieder sehr vielfältig, Genregrenzen werden überschritten. Wie geht das Publikum da mit?
Gulda: Auch die diesjährigen OÖ. Stiftskonzerte stehen unter einem Motto: „Alpha & Omega“, Anfang und Ende, Wandel und Beständigkeit symbolisierend. In einer Welt, die von disruptiven Momenten geprägt ist, streben wir nach den magischen, sinnlich erlebbaren Momenten, in denen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Einklang sind. Dabei wagen wir mitunter die Quadratur des Kreises, streben also nach dem absolut Besten und wollen gleichzeitig so offen und einladend wie möglich sein. Mit stetig neuen Formaten wollen wir uns noch näher, gar direkt am Puls der Zeit bewegen, wie durch das Fördern und Einbeziehen absolut heutigen und jungen Kunstschaffens. Denn es gibt nicht ein Publikum, sondern viele unterschiedliche Publikumsschichten, die wir berühren möchten.
Was ist für die OÖ. Stiftskonzerte die größte Herausforderung?
Gulda: Die größte Herausforderung bei der Organisation liegt in der bestmöglichen Umsetzung angesichts der knappen Ressourcen. Wir können uns eine Überdehnung nicht leisten und müssen mitunter unseren Enthusiasmus bremsen. Äußerste Budgetdisziplin einerseits und andererseits besonders große Flexibilität und Einsatzbereitschaft von allen Beteiligten sind unsere Basis. So gelingt es uns, dank des starken Zusammenhalts im Team und der Leidenschaft aller Beteiligten für die Musik die Herausforderungen immer neu zu bewältigen.
Seit dem Gründungsjahr 1973 stellen die OÖ. Stiftskonzerte einen fixen Teil in der Kultur-DNA des Landes Oberösterreich dar. Die 52. Saison führt mit insgesamt 21 Veranstaltungen zwischen 31. Mai und 27. Juli in die Stifte St. Florian, Kremsmünster, Wilhering, Lambach, Schlierbach und – erstmals in der Geschichte der OÖ. Stiftskonzerte – nach Reichersberg. Die Konzertreihe wird am 31. Mai um 19 Uhr im Marmorsaal des Stiftes St. Florian eröffnet, im Vorfeld gibt es dazu ein Künstlergespräch mit Julia Hagen (Cello) und Christoph Koncz (Dirigent). Auf dem Programm stehen Werke von Haydn (Cellokonzert Nr. 1, C-Dur) und Beethoven (Leonore-Ouvertüre, Sinfonie Nr. 1, C-Dur op. 21). Weitere Gäste bei den Stiftskonzerten sind u. a.: Vaclav Luks, Collegium 1704, Markus Poschner, Bruckner Orchester Linz, Chen Reiss, Dennis Russell Davies, Canadian Brass, Varian Fry Quartett und Arnold Mettnitzer (Gespräch mit Musik).
Tel. 0732 7611-400
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