Christian Landl ist Diakon und Seelsorger in den Pfarrgemeinden Schörfling, Weyregg und Steinbach am Attersee.
Für Erzpriester Zoran Vrbaski ist es eine Ehre und Freude, dass er das bedeutende Fest erklären darf. Denn er war zehn Jahre lang Priester an der Kathedralkirche in Kragujevac (Zentralserbien), die der „Entschlafung der Allheiligen Gottesgebärerin“ geweiht ist: „Dort habe ich das Fest jedes Jahr in seiner geistlichen Tiefe erlebt.“
Dass so viele Kirchen und Klöster in Serbien und der Diaspora der Entschlafung der Gottesmutter geweiht sind, zeugt von der Bedeutung dieses Glaubensgeheimnisses. Erzpriester Zoran Vrbaski erläutert es in knappen Worten:
„Am Fest der Entschlafung der Allheiligen Gottesgebärerin Maria gedenken die orthodoxen Christen des friedlichen Heimgangs der Muttergottes. Dieser wird nicht als Tod, sondern als Hinübergehen ins das ewige Leben verstanden. Gefeiert wird der Glaube daran, dass Maria mit Seele und Leib in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“
Die orthodoxen Christ:innen bekennen am 15. August also dasselbe wie die Katholik:innen. Die unterschiedliche Bezeichnung zeigt nur, dass das Sterben Mariens jeweils unter einem anderen Blickwinkel gesehen wird. Die katholische Kirche blickt, ohne den Tod Mariens besonders zu thematisieren, gleich auf die „Aufnahme Mariens in den Himmel“ und betont die Vollendung, was eine Woche später mit dem Gedenktag der Krönung Mariens im Himmel nochmals unterstrichen wird.
Die Orthodoxie dagegen legt den Fokus auf das „Hinübergehen“ Mariens in ein neues Leben, was der Begriff „Entschlafung“ oder „Heimgang“ meint. Dass die orthodoxe und katholische Perspektive keinesfalls Gegensätze sind, wird am Benediktinerkloster am Berg Sion in Jerusalem deutlich, das der „Dormitio“, der „Entschlafung der seligen Jungfrau Maria“, geweiht ist.
In der Orthodoxie nimmt die „Feier der Entschlafung der Allheiligen Gottesgebärerin“ einen besonderen Stellenwert ein: Dieses Glaubensgeheimnis gehört zu den „zwölf großen Festen“ des Kirchenjahres, wie zum Beispiel Weihnachten und Pfingsten. Der Gottesdienst am Festtag wird entsprechend feierlich begangen. Am Vorabend findet eine Vesper mit einer Prozession statt, am 15. August selbst wird die göttliche Liturgie gefeiert. Erzpriester Zoran Vrbaski weist darauf hin, dass es zu jedem Fest eine eigene – Troparion genannte – Liedstrophe gibt, die in wenigen Zeilen komprimiert die Bedeutung der Feier zusammenfasst.
Für die Entschlafung Mariens lautet das Troparion: „In deiner Geburt hast du die Jungfräulichkeit bewahrt, im Tod hast du die Welt nicht verlassen, Gottesgebärerin. Du bist zum Leben hinübergegangen, Mutter des Lebens, und durch deine Fürsprache errettest du unsere Seelen von dem Sterben.“
Der Erzpriester gibt den Inhalt der Liedstrophe in seinen eigenen Worten wieder: „Das Troparion betont, dass die Gottesmutter zwar gestorben ist, aber mit der Welt verbunden bleibt und durch ihre Fürbitte für die Gläubigen da ist. Es ist ein Fest voller Trost und Hoffnung, in dem Maria als Fürsprecherin und geistliche Mutter aller Christen verehrt wird.“
das Marienfasten
Die Bedeutung des Festes der „Entschlafung der Allheiligen Gottesgebärerin“ wird auch durch eine intensive Vorbereitung unterstrichen. Dem
15. August geht ein zweiwöchiges Fasten voraus, das sogenannte „Gottesmutter-Fasten“ vom 1. bis zum 14. August. Neben Weihnachten, Ostern sowie Peter und Paul ist das die vierte große Fastenzeit im Laufe eines Kirchenjahrs. Von Montag bis Freitag gibt es – ganz allgemein erklärt, wie der Erzpriester sagt – vegane Kost, am Samstag und Sonntag darf auch Öl zum Kochen verwendet werden.
Es geht aber nicht nur um bestimmte Speisevorschriften, sondern wie bei jeder Fastenzeit auch um ein intensiveres Gebetsleben und die vermehrte Teilnahme an den Gottesdiensten. „Priester bereiten sich durch Fasten, Beichte und auch durch das Lesen und Meditieren der liturgischen Texte vor, um das Fest mit geistlicher Klarheit und Tiefe begehen zu können.“ Am 15. August wird dann gefeiert, erzählt der Erzpriester. Besonders bei Kirchen, die der Entschlafung Mariens geweiht sind, finden Volksfeste und Jahrmärkte statt. So war das auch an der Kathedralkirche in Kragujevac. Auf die Initiative von Zoran Vrbaski entstand dort aber eine Veranstaltungsreihe, die sogenannten „Maria-Entschlafungs-Feierlichkeiten“, die Vorträge, Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen und Präsentationen des Volksschaffens umfassten. Die Reihe dauerte vom Fest der Großen Gottesmutter, dem 15. August, bis zum Fest der Kleinen Gottesmutter, zu Maria Geburt, das am 8. September (auch in der katholischen Kirche) gefeiert wird. Die serbisch-orthodoxe Kirche feiert die Entschlafung Mariens am 15. August. Da sie aber dem Kirchenjahr den julianischen Kalender zu Grunde legt, findet das Fest der Entschlafung am 28. August statt.
Die „Entschlafung der Allheiligen Gottesgebärerin“ (siehe: erstes Bild rechts oben) wird auf Ikonen oder Fresken in Kirchen (hier in der serbisch-orthodoxen Kirche Linz) nach einer vorgegebenen Weise dargestellt. In der Mitte liegt die Gottesmutter auf einem Totenbett umgeben von den Aposteln, anderen Gläubigen und Engeln. Über dem Leichnam erhebt sich Christus selbst – in himmlischem Glanz –, der eine kleine, in weiße Tücher gehüllte Gestalt, die Seele der Gottesmutter, in Händen hält.
Christian Landl ist Diakon und Seelsorger in den Pfarrgemeinden Schörfling, Weyregg und Steinbach am Attersee.
Turmeremitin Birgit Kubik berichtet über ihre Woche in der Türmerstube hoch oben im Mariendom Linz >>
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