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Über Heilige ein Bühnenstück zu schreiben, scheint mir in der heutigen Zeit völlig anachronistisch. Wie kann man das Leben des hl. Wolfgang für heute „fruchtbar“ machen?
Franzobel: Der heilige Wolfgang ist kein Märtyrer, dem die Haut abgezogen oder ein Grill unter den Hintern gelegt worden ist. Ich war anfangs von der Geschichte gar nicht so begeistert, aber vielleicht ist es schließlich doch gelungen, etwas zu schaffen, bei dem sich alle denken, seltsam, dass das noch nie jemand auf die Bühne gebracht hat.
Was ist der Fokus Ihrer Erzählung? Es soll ja auch um die Zerrissenheit des Menschen zwischen Hedonismus und Kontemplation gehen. Wie geht Kontemplation in Zeiten der Selbstoptimierung?
Franzobel: Das kann ich nur für mich beantworten: Natur, Arbeit, Genießen, das machen, was einem Spaß macht, versuchen, mit sich selbst und der Welt im Reinen zu sein, Respekt vor der Schöpfung, in jedem Wesen eine Seele sehen, sich nicht zu wichtig nehmen, Humor und die Unendlichkeit von Zeit und Raum mitdenken.
Das Bedürfnis nach Rückzug und Besinnung ist auch heute da, wird aber hauptsächlich mit Yoga gestillt, gewinnt man den Eindruck. Was hat Kirche da versäumt? Warum sind die Antworten der Kirche und der reiche Schatz ihrer Spiritualität so schwer zu heben?
Franzobel: Die Kirche ist, wie sie ist, und das ist gut so. Ich glaube, Kompromisse zur Weltlichkeit wären falsch. In meiner Jugend gab es eine katholische Jungschar, die sich dafür eingesetzt hat, während der Messe Rockkonzerte zu geben, das halte ich für Unfug. Die Kirche ist stur, streng, konservativ, starr. Daran kann man sich reiben, aber das passt schon. Irgendwann wird sie auch wieder mehr Zulauf haben oder untergehen. Von Kirchencomics und lustigen Apps halte ich nichts.
Wenn das Sinnvakuum so groß wird, dass die Leute mit veganer Ernährung und Feng-Shui nicht mehr zufrieden sind, werden sie auch wieder zur Transzendenz finden.
Zurück zum Stück: Wie war das Schreiben und das Auseinandersetzen mit dem Leben des hl. Wolfgang für Sie? War auch Überraschendes, Unerwartetes für Sie dabei?
Franzobel: Zuerst war es schwierig, aber dann kam die Idee, dass er gar kein Heiliger sein will. Danach ging es recht schnell ... – Die Arbeit mit Gerd H. Ortler und Vicky Schubert hat großen Spaß gemacht.
Wer sind die Auftraggeber?
Franzobel: Letztlich wohl die drei Wolfgangseegemeinden. Ich glaube, sie wollten beim Kulturhauptstadtjahr nicht mitmachen und stattdessen etwas eigenes machen.
Es ist jedenfalls ein sehr gewagtes Projekt. Eigentlich unmöglich, wenn man die knappe Zeit bedenkt. Mich hat man etwa vor einem Jahr gefragt, da gab es noch keinen Komponisten, keine Regie, keine Besetzung, keine Bühne. – Insofern hat der heilige Wolfgang schon seinen schützenden Geist eingebracht, wenn das tatsächlich etwas wird.
Worauf sind Sie bei der Premiere am 23. Mai gespannt und neugierig?
Franzobel: Ob es meiner Freundin gefällt –und natürlich auch, ob es ein Knüller wird. Ich bin ja nicht so der große Musical-Fan, aber die Arbeit hat so viel Spaß gemacht, dass ich so etwas gerne wieder schreiben möchte.
St. Wolfgang, Seebühne am Wolfgangsee
Der Höhepunkt des Wolfgangjahres nähert sich: am 23. Mai hat das Musical „Wolf“ Premiere, insgesamt wird es zehn Aufführungen auf der neuen, überdachten Seebühne geben (bis 22. Juni).
Zum Stück: „Wolf“ thematisiert die großen Fragen des menschlichen Daseins und setzt sich mit dem Leben des heiligen Wolfgang auseinander. Das Stück will unterhalten und gleichzeitig den Respekt vor dem Leben fördern. Es zeigt die innere Zerrissenheit des Menschen zwischen Hedonismus und Kontemplation anhand von Wolfgangs Lebensgeschichte. Die Inszenierung will poetisch und humorvoll sein und das Publikum begeistern. Daten zum Stück: 18 Darsteller:innen, 12 Musiker:innen, Libretto: Franzobel, Musik: Gerd Hermann Ortler.
Karten und Infos: www.wolfmystical.at
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