Lesen Sie alle Beiträge zum Schwerpunkt Brucknerjahr 2024
„Gott, Deine Güte reicht so weit die Wolken gehen, Du krönst uns mit Barmherzigkeit und eilst, uns beizustehen.“ Ludwig van Beethoven komponierte nicht viele ausgesprochen religiöse Musikstücke. Das Lied „Bitten“ aus dem Liederzyklus „Sechs Lieder von Gellert“ ist eines davon, es ist von Psalm 36 inspiriert. Durch Beethovens Werk schimmert dennoch ein starker Glaube – der kirchenkritische Glaube eines Suchenden. Seine Jugend in Bonn prägte ihn katholisch. Als dreizehnjähriger Hoforganist trug er wesentlich zum Familieneinkommen bei und erlebte sich als aktiver Teil der Liturgie.
Die zu seiner Zeit revolutionären Ideen der Aufklärung begeisterten ihn. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, die Ideale der Französischen Revolution, waren auch seine Ideale. Die katholische Kirche des ausgehenden 18. Jahrhunderts teilte diese Ideale kaum. Kirche und aufklärerische Strömungen entwickelten sich zu Gegenspielern. So war Ludwig van Beethoven auf der Suche, fand Gott in der Natur, beschäftigte sich mit indischen Heilslehren, war bei allem Zweifel doch von Grund auf überzeugt, dass es einen liebenden Gott gibt. Der Gott der Liebe war nämlich keine Erfindung des Zweiten Vatikanischen Konzils, auch wenn er in der Theologie des 20. Jahrhunderts nach dem pädagogisch missbrauchten „strafenden Gott“ des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. Für Beethoven stand Gottes Güte im Mittelpunkt und das, obwohl er im Lauf seines Lebens heftig mit seinem Los, der voranschreitenden Gehörlosigkeit, haderte.
Seine Wut über den Gehörverlust führte dazu, dass er ernsthaft mit dem Gedanken spielte, seinem Leben ein Ende zu setzen, wie das „Heiligenstädter Testament“ bezeugt. Da er sich jedoch zum Ausnahmemusiker berufen fühlte und es als seine Aufgabe sah, der Welt alles zu geben, was er geben konnte, nahm er vom Suizid wieder Abstand. Beethoven fühlte sich eingebunden in etwas Höheres, was zu einem starken Selbstbewusstsein führte, wie der Musiker, Musikwissenschaftler und Lambacher Musikalienarchivar Peter Deinhammer erklärt. „Beethoven motiviert Menschen durch seine Musik, ihren eigenen Weg zu gehen. ‚Durch das Dunkel zum Licht!‘ zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben und Schaffen.“
Deinhammer selbst hat Beethoven besser kennengelernt als viele andere. Er organisierte von 2007 bis 2016 die Aufführung sämtlicher Kompositionen Ludwig van Beethovens in über 50 Konzerten. „Unter den mehr als 130 Kompositionen gibt es auch viele unbekannte Stücke. Der Markt beschäftigt sich immer mit denselben 20.“
Das Faszinierende am Schaffen Beethovens sei, wie ausdauernd und unbeirrbar er seine Ideen über die Jahre hinweg entwickelte. Er suchte immer nach Neuem und arbeitete an einer Idee, indem er sie in verschiedene Stücke aufnahm und ausprobierte, weiterentwickelte, perfektionierte. Wenn er nach langer Zeit des Suchens gefunden hatte, was er wollte, staunte er selbst über das, was ihm gelungen war. „Nach der Klaviersonate Nr. 23, der Appassioanata, schrieb er lange nichts mehr für Klavier, weil ihm ein so großer Wurf gelungen war.“
Der Musiker und Musikpädagoge Peter Deinhammer entwickelte früh eine persönliche Beziehung zu dem großen Meister. „Unter den Schallplatten meiner Eltern fanden sich ein paar mit Beethovens Musik. Sie faszinierten mich. Das Dramatische an Beethoven versteht auch ein Kind.“ Während der zehnjährigen Aufführungsdauer von Beethovens Gesamtwerk habe er erlebt, dass Menschen, die noch nie klassische Musik gehört hatten, ihren Zugang gerade über Beethoven fanden.
Das Videoprojekt „Global Ode to Joy“ lädt im Rahmen des Beethovenjahrs zum Mitmachen ein: Beethoven sah seine 9. Sinfonie und ihre berühmte Ode „An die Freude“ als Reise aus der Dunkelheit ins Licht. Die großen Events zum Beethovenjahr konnten nicht wie geplant stattfinden, da die Konzertsäle geschlossen sind. „Trotzdem brauchen wir Musik“, schreibt das Team des Beethovenjahrs „BTHVN2020“, „insbesondere Beethovens Botschaft von Einheit, Zusammenhalt, Freude – mehr denn je.“ Kurzvideos über die Freude sollen auf YouTube hochgeladen und mit dem Kennwort #GlobalOdeToJoy versehen werden. Wer unter diesem Kennwort sucht, findet schon jetzt viele inspirierende Freude-Videos. Videos, die noch bis 1. Dezember hochgeladen und angemeldet werden, haben die Chance, in das Abschlussvideo aufgenommen zu werden. Aber auch danach können Videos zur Aktion hochgeladen und auf Social Media geteilt werden.
globalodetojoy.com
Getauft am 17. Dezember 1770 in St. Remigius in Bonn, geboren eventuell einen Tag früher, so genau weiß man das nicht. Der Vater war Sänger und Musiklehrer, die Mutter gebar sieben Kinder, von denen nur drei das Säuglingsalter überlebten. Ludwig war der Älteste der drei. Er erhielt keine große Allgemeinbildung, dafür umso besseren Musikunterricht von seinem teils gewalttätigen Vater und von anderen Musikern aus dem Bekanntenkreis. Mit sieben Jahren gab der Klaviervirtuose sein erstes Konzert. Mit dreizehn Jahren erhielt er eine Anstellung als zweiter Hoforganist. Mit 16 verlor er die Mutter, woraufhin sich der Vater dem Alkohol mehr als den Kindern widmete.
Nach Wien. Mit 22 übersiedelte Beethoven nach Wien. Durch sein Talent fand er bald adelige Förder/-innen. Er nahm Kompositionsunterricht beim damaligen Musikstar Joseph Haydn (von dem er sich sein Leben lang abzugrenzen versuchte) und anderen. Mit 24 begann er, Klavierstücke zu schreiben, darunter die berühmte „Mondscheinsonate“. Erst später schrieb er auch Sinfonien und andere Gattungen, wie seine einzige Oper „Fidelio“ und zahlreiche Lieder. Bereits mit 28 merkte er, dass er immer schlechter hörte. Das immer schwächere Gehör trieb ihn teils zur Verzweiflung und jedenfalls in die Vereinsamung. Er zog sich zurück, da es ihm als Musiker peinlich war, eine Hörschwäche zugeben zu müssen. Als er 1827 nach langem Leber- und Lungenleiden in Wien verstarb und begraben wurde, kamen dennoch an die 20.000 Menschen zum Begräbnis, darunter viele renommierte Künstler.
HÖR-TIPPS
Ob auf CD, auf YouTube oder im Konzertsaal: Zu Beethovens 250. Geburtstag lohnt es sich, seine Musik zu probieren. Als Begleitung zu Arbeit oder Geselligkeit eignet sich die Musik nicht. Sie wirbt um Aufmerksamkeit, sanft oder dramatisch, spielerisch oder herrisch. Wer dem Werben nachgibt und ihr zuhört, erlebt eine Kraft, die mitreißt.
- Sechs Lieder von Gellert. Die Lieder sind ein Zeugnis von Beethovens Zugang zu Gott in der Natur.
- Missa solemnis. Beethoven bezeichnete sie als sein gelungenstes Werk. Er wollte sie zur Bischofsweihe eines Freundes komponieren, arbeitete aber mehr als drei Jahre lang daran, um sie zu vervollkommnen.
- Neunte Sinfonie. Dem Chor im 4. Satz liegt Schillers Ode „An die Freude“ zugrunde. Die Melodie wurde 1972 zur Europahymne bestimmt (ohne Text, um keine Sprache zu bevorzugen). Es lohnt sich jedoch, die Sinfonie in ihrer Gesamtheit zu genießen und nicht nur den letzten Satz herauszunehmen.
Lesen Sie alle Beiträge zum Schwerpunkt Brucknerjahr 2024
BÜCHER_FILME_MUSIK
KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>
MEIST_GELESEN