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Katharina Feist-Merhaut
Sieben Jahre lang hat sich die Autorin mit dem Thema auseinandergesetzt. Kann man Sterben üben?
Katharina Feist-Merhaut hat ihre Großmutter, liebevoll Großma, als Enkelin fürsorglich durch die letzten Lebensjahre begleitet. Wer kennt das Herzklopfen nicht, wenn sich die Eltern oder Großeltern trotz mehrmaliger Anrufe nicht melden? Und wer verspürt nicht dann die Erleichterung, wenn die Betreuungspersonen das Telefon nur nicht gehört haben. An all diesen Gefühlen und Gedanken lässt uns die Autorin teilhaben. Wie wohltuend sind die liebevollen Gespräche mit dieser klugen, bodenständigen Großma. Sie zeichnet mit Zustimmung der Großmutter die Gespräche auf, um auch die Stimme in Erinnerung zu behalten.
In Erinnerung ist der Autorin auch geblieben, dass die anderen Großeltern einen Doppelselbstmord versuchten, um ja niemandem zur Last zu fallen. Wie wohltuend ist da der feine Humor der anderen Großma, die auch noch von ihren zwei Ehemännern und von den Saunadamen reden kann und mit Hingabe die mitgebrachten Blumen pflegt.
Und doch wird der Bewegungshorizont immer kleiner, ein Pflegeheim wird besichtigt und so gar nicht idealisiert.
Und dann werden die Schmerzen mehr, der Hilfsbedarf größer. Wer kennt das nicht auch schon aus eigener Erfahrung?
Vielleicht kann man ja wirklich Sterben üben.
Takis Würger
Wer in Zeiten wie diesen einmal richtig abtauchen will in eine märchenhafte Geschichte, dem sei der Roman des deutschen Autors Takis Würger wärmstens empfohlen.
Die junge Fritzi Prager ist voller Zukunftspläne, die sich alle in Luft auflösen, als sie von einer Zufallsbekanntschaft schwanger wird. Das Zimmer in der Klinik teilt sie mit Günes, einer gebürtigen Türkin. Fritzi bekommt einen Sohn, Hannes, Günes ein Mädchen, Polina. Die beiden Frauen verbindet eine tiefe Freundschaft und so wachsen Hannes und Polina fast wie Geschwister auf. Fritzi verdient ihr Geld als Putzfrau und findet Unterkunft in einer verfallenen Villa im Moor.
Rasch zum Vaterersatz wird Heinrich Hildebrand, ein sonderbarer Kauz, der zwar Musik studiert hat, den Beruf aber nicht ausübt. Hannes ist nicht so wie andere Kinder, still und in sich gekehrt, ein Kind, das auf Klang und Melodien anspricht. Durch Zufall entdeckt er ein Klavier und kann sofort eine Tschaikowski-Sonate aus dem Gedächtnis nachspielen.
Polina ist das Gegenteil – neugierig, offen und kontaktfreudig. Als sie mit ihrer Mutter in die Türkei zurückgeht, komponiert Hannes für sie eine Melodie, die all seine Träume, sein Wesen und Hoffen beinhaltet.
Nach einem schweren Schicksalsschlag muss Hannes die Villa verlassen. Er will nie wieder Klavier spielen und wird, obwohl sehr schmächtig, Klavierträger.
Als er wieder einmal ein altes Klavier transportieren soll, spielt er zum Trost für den alten Besitzer diese Melodie, und wie in einem Märchen wird er dabei gefilmt. Der Film geht ins Netz und Hannes wird berühmt. Nun will er mit dieser Melodie Polina wiederfinden.
Findet er sie?
Jaqueline Scheiber
Dieses Erstlingswerk der jungen österreichischen Autorin Jaqueline Scheiber löst bei ihren Leser:innen sehr viel aus: Betroffenheit, Trauer, Schmerz, Nachdenklichkeit, aber eines sicher nicht – Langeweile, Distanz, vorausgesetzt, man lässt sich auf dieses Buch ein.
Klara und Balazs haben gerade eine Altbauwohnung in Wien gemeinsam bezogen, drei Meter dreißig sind die Decken hoch.
Eines Nachts, schon mehr Morgen als Nacht, wird Klara wach. Sie sind gerade von der Geburtstagsfeier ihres Bruders nach Hause gekommen, haben gefeiert, waren glücklich. Und plötzlich vermisst sie etwas – Balazs atmet nicht mehr. Was ist passiert?
In Rückblenden lässt uns die Autorin teilhaben an der Liebesgeschichte zwischen Klara und Balazs.
In langen Spaziergängen durch Wien vertieft sich die Beziehung zwischen dem gebürtigen Ungarn, der in Wien als Bühnentechniker arbeitet, und Klara, einer jungen Architektin.
Eigentlich lebt Klara sehr für ihren Beruf, Misserfolge kann sie schwer verkraften, nur Jasmin, ihre Freundin, steht ihr auch da zur Seite. Balazs hat viel Verständnis für diese verschlossene Frau, auch mit ihren Wutanfällen kann er gut umgehen. Berührend, wie er bei einem Urlaub in Malaga so eine Situation entschärft. Vielleicht, weil auch er eine Geschichte hat: Er ist in Ungarn nach der Wende zur Welt gekommen, vor dem gewalttätigen Vater beschützt durch die Großmutter. In Wien wundert er sich noch immer über den Überfluss des Westens.
Und dann ist er plötzlich tot und lässt Klara und auch uns Leser:innen sehr berührt zurück. Großartig!
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