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Im Frühjahr stand das Kulturleben monatelang still, im Sommer gab es verkleinerte Festspiele, vereinzelt Konzerte und Theateraufführungen. Wie war die Premiere am 18. September für Sie?
Daniela Dett: Es war ein sehr intensiver Abend. Es war beeindruckend zu sehen, wie das Publikum mitgegangen ist, die Begeisterung war spür- und hörbar. Das ist zum einen den Liedern von Edith Piaf geschuldet, zum anderen hatte ich den Eindruck, dass die Dankbarkeit, wieder Musik erleben zu können, groß ist. Die Menschen sind kulturell ausgehungert. Kunst und Kultur sind Nahrung für den Geist. Das ist so wichtig!
Leidenschaft, Schmerz, Verzweiflung, Liebe in großer Intensität: So war das Leben von Edith Piaf. Wie ist es, ihre Chansons zu singen?
Dett: Es ist sehr intensiv. Ich habe mich sehr ausführlich mit ihr beschäftigt und viel über sie gelesen. Ich habe versucht, Situationen und Zustände nachzuempfinden. Auf der Bühne tauche ich ab in diese tiefe Gefühlswelt von Edith Piaf. Ich vergesse mich total, ich lebe das mit.
Wie gelingt es Ihnen, sich in Ihrem persönlichen Leben davon abzugrenzen?
Dett: Das ist Handwerk. Sich abzugrenzen, das lernt man. Man arbeitet an einer Figur, aber man verschmilzt im persönlichen Leben nicht mit ihr. Spätestens wenn ich nach der Vorstellung in der Maske sitze, bin ich wieder Daniela Dett. Aber natürlich ist man nach einer Vorstellung körperlich und seelisch ausgelaugt. Das nimmt einen mit.
Sie haben gesagt, Sie möchten nicht mit Edith Piaf tauschen. Warum?
Dett: Die Opfer sind einfach zu groß, um tauschen zu wollen. Sie hat für ihr Bühnenleben alles auf der Strecke gelassen, das steht in keinster Weise für den Erfolg: sich selbst und das Umfeld so zu fordern und auszunutzen. Sie hat sich dabei selbst verloren und andere mitgerissen.
Vor einigen Monaten haben Sie die Mutter Oberin in „Sister Act“ gespielt, ebenfalls eine sehr umjubelte Aufführung. Was war das Reizvolle daran?
Dett: Ich habe mich zuerst einmal gefragt, welche Rolle und Funktion diese Figur „Mutter Oberin“ hat. Sie ist ja von meinem Alltag sehr weit entfernt. Was kann das für eine Persönlichkeit sein? – Mit dieser Frage habe ich mich auf die Suche gemacht und viel recherchiert. Ich wollte wegkommen von einer gewissen Eindimensionalität, denn oft wird die Mutter Oberin als verhärmte Frau dargestellt, die das Fremde nicht akzeptiert. Ich habe versucht einen Weg zu finden, wie man diese Frau trotz all der nötigen Strenge auch mit ihrer Verletzlichkeit, ihren Ängsten und ihrer Unsicherheit zeigen kann. Ich wollte ihre Menschlichkeit, ihren Humor herauskitzeln, denn die Mutter Oberin war auch einmal jung. Ich habe sie als empathischen Mitmensch gezeichnet, der um die Existenz des Klosters fürchtet, sich verantwortlich fühlt und seine Klostergemeinschaft schützen will.
Sie haben als Ordensfrau auf der Bühne eine Ordensfrau im wirklichen Leben unterstützt: Sr. Maria Schlackl mit „Solwodi“ Wie groß war die Überraschung, als Sie Sr. Maria kennengelernt haben?
Dett: Ich war überrascht von Sr. Maria Schlackl. Ich bin zwar in Vöcklabruck in eine Klosterschule gegangen. Als Jugendliche hatte ich damals den Eindruck, dass zum Beispiel meine „Mädchenthemen“ keine Rolle spielten. Sr. Maria Schlackl ist der beste Beweis dafür, dass es keine Grenzen geben muss: Sie vereint religiöse und weltliche Themen in einer Normalität und Direktheit, in einer Leichtigkeit und Offenheit, wie ich das noch nie erlebt habe.
Sr. Maria Schlackl setzt sich mit „Solwodi“, der Initiative gegen Menschenhandel und für Menschenwürde, für Frauen in der Prostitution ein. Was beeindruckt Sie an Sr. Maria Schlackl?
Dett: Ihre Selbstlosigkeit, ihre Leidenschaft, ihre Hingabe. Das sollte uns allen ein Vorbild sein! Sie jammert nicht, wie schwer alles ist – sie hat ja auch viele Kritiker –, sondern sie fokussiert ihre Energie auf das, was sie tun kann. Sie setzt alles daran, dass es diesen Frauen in der Zwangsprostitution besser geht. Das finde ich großartig!
Das „Sister Act“-Ensemble hat bei jeder Vorstellung für „Solwodi“ gesammelt und auf der Bühne die Spendenaktion erklärt. Wie kam es dazu?
Dett: Sr. Maria Schlackl hat uns sofort überzeugt. Wir haben uns über „Solwodi“ informiert und das sofort unterstützt. Es ist eine Herzensangelegenheit jedes Teammitglieds geworden. „Solwodi“ zeigt zum einen Missstände wie Menschenhandel und Zwangsprostitution auf und zum anderen eröffnet es Möglichkeiten, wie man dagegen ankämpfen kann. Das ist eine Chance, die man ergreifen muss!
Am 18. Oktober 2020 wird es im Linzer Musiktheater eine Benefizmatinee zugunsten traumatisierter Frauen geben. Was steht auf dem Programm?
Dett: Die Matinee trägt den Titel „Menschenwürde spielt eine Rolle“. – Ich werde mit Kolleginnen und Kollegen Tagebuch-Aufzeichnungen von betroffenen Frauen und von einem Freier bringen. Es gibt Musik, Tanz, Gespräche – unter anderem auch einen musikalischen Beitrag von mir: ein ewig-gültiger Text, neu interpretiert.
Benefizmatinee zum Tag gegen Menschenhandel, 18. 10., 11 Uhr, Musiktheater mit Musik, Tanz, Lesung, Geprächen, Karten: Tel. 0732 76 11-400, Einheitspreis: € 25,–
Grenzenlos - Leitartikel von Elisabeth Leitner
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