Wie haben sich die Obdachloseneinrichtungen auf die zweite Welle vorbereitet?
Michaela Haunold: Beim Help-Mobil der Caritas ändern wir momentan nichts im laufenden Betrieb, aber es kommen viele Fragen von den Klient/innen zu den Einschränkungen im öffentlichen Raum, etwa wo sie sich noch aufhalten dürfen, wenn man abends nicht mehr im öffentlichen Raum sein sollte. Die Verunsicherung ist groß.
Helmut Eder: Im März und April war es schon auffällig, dass auf den Straßen kaum Obdachlose zu sehen waren. Allerdings habe ich auch nicht gehört, dass es Strafen oder Ähnliches gegeben hat. Schon vor dem Lockdown hatte etwa die Notschlafstelle NOWA auch tagsüber geöffnet, sodass sich die Betroffenen dort aufhalten konnten.
Haunold: Die eine Notschlafstelle kann aber nicht alles abdecken. Für einen Teil der Klient/innen bräuchte es andere Lösungen, beispielsweise für Menschen mit einem Haustier, mit einer starken Suchterkrankung, mit Hausverbot belegte Personen oder jene, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus keinen Zugang haben.
Wie erleben die Betroffenen den neuen Lockdown im Vergleich zum ersten im Frühling?
Eder: Im März und April sorgte der Lockdown für Irritation und Ärger, mittlerweile haben sich die meisten an das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes und die Handreinigung gewöhnt. Ohne kommst du auch gar nicht hinein in die Einrichtungen. Derzeit herrscht unter den Obdachlosen allerdings große Unsicherheit darüber, wie es weitergehen soll, viele sind frustriert und enttäuscht, ihnen fehlen die Perspektiven. Der Aufenthalt im Of(f)‘n-Stüberl und in der Wärmestube ist eher kurz, weil nur eine bestimmte Anzahl von Leuten hinein darf und die anderen draußen warten müssen.
Was kann die Kirche tun, um zumindest ein wenig Normalität zu vermitteln?
Eder: Wichtig sind Fixpunkte, die Orientierung geben. Schon im August wurde ich etwa gefragt, ob die Weihnachtsfeier stattfinden wird. Wäre das nicht der Fall, wäre das für viele schrecklich. Ein Highlight war die Obdachlosen-Wallfahrt im Oktober, wo auch Bischof Scheuer dabei war. Die Menschen sind dankbar für diese Termine, weshalb wir anpeilen, auch die Adventfeiern am Martin-Luther-Platz und ein Weihnachtsessen am 24. Dezember zu machen, wenn es die Bestimmungen zulassen.
Wird der Bedarf an Unterstützung steigen, weil durch die Coronakrise immer mehr Menschen armutsgefährdet sind?
Haunold: Definitiv, ja. Wir merken auch, dass Leute kommen, die früher nie bei uns waren, Leute, die dachten, sie sind gut abgesichert und jetzt nicht mehr zahlen können. Die Wohnung ist momentan zu teuer, oder die Rate für das Auto nicht mehr leistbar. Österreichweit werden die Stundungen jetzt schlagend, die Kosten kommen nun in aller Härte zurück, die wurden ja nur verschoben. Außerdem hat der erneute Lockdown wieder massive Auswirkungen auf die Psyche, weshalb wir uns in nächster Zeit sicher wieder mehr mit psychischen Erkrankungen auseinandersetzen müssen.
Eder: Notstand, Trennung, Arbeitslosigkeit – die prekären Lebenslagen werden steigen. In St. Severin, unserer Pfarre, ist der Bedarf an Unterstützung mehr geworden, was Heizung oder Strom betrifft. Vielleicht ist das aber nur bei uns so.
Woran fehlt es, wo braucht es mehr Unterstützung, auch seitens der Politik?
Eder: Es ist langfristig keine Lösung, Leute zu vertreiben. Es ist eindeutig, dass es diese Menschen in unserer Stadt gibt und wir einen Raum und Platz schaffen müssen, wo sie sein dürfen – nicht nur über die Kirche, auch die Politik ist hier gefordert, das Problem ernst zu nehmen. Eine Notschlafstelle allein ist für eine Stadt zu wenig. Es sollte mehr in Richtung niederschwelliger Angebote wie „Housing First“ gehen, wo obdachlosen Personen eine eigene Wohnung zur Verfügung gestellt wird und sie von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern unterstützt werden.
Haunold: Die Frage ist, wie gehen wir als Kirche und Gesellschaft mit dieser Menschengruppe um. Die aktuelle Lösung des Wegschauens oder Wegschiebens ist nicht das, was ich mir von meiner Kirche und der Gesellschaft erwarte, sondern dass Maßnahmen ergriffen werden. Wie können jene, die jetzt in einer Wohnung sind, stabilisiert werden, wie können Einkommensverluste verhindert werden, wie kann man präventiv arbeiten.
Eder: Wenn du einmal delogiert wirst, prägt sich das tief in deine Seele ein. Es wäre schön, wenn man das verhindern könnte.
Help-Mobil der Caritas. Mo. und Fr., 17–19 Uhr, Domplatz, Parkplatz Carla, Baumbachstraße 3, medizinische Versorgung jeweils 17–18 Uhr, 0676 87 76 23 42, help.mobil@caritas-linz.at
Obdachlosenseelsorge. Helmut Eder, Lederergasse 50, 0676 8776-5670, helmut.eder@dioezese-linz.at
Obdachlosenhilfsaktion. Verteil-Donnerstag wöchentlich beim alten Busterminal gegenüber vom Wissensturm von 16 bis 18 Uhr. Auch während des Lockdowns verteitl der Verein Kleidung und Lebensmittel an seine Schützlinge.
Sozialverein B37. Mehrere Angebote unter www.b37.at, wie OBST (Beratung und Begleitung durch Streetworker, Starhembergstraße 11/EG, 0732 77 67 67-560) oder NOWA (Notschlafstelle, Anastasius-Grün-Straße 2, 0732 77 67 67-520)
Vincenzstüberl. Während des Lockdowns geschlossen, übliche Öffnungszeiten: Mo. bis Fr., 11 bis 15 Uhr, Herrenstraße 39, 0732 76 77-4989
Of(f)‘n-Stüberl der Stadtdiakonie. Mo. bis So., 8 bis 12 Uhr, Starhembergstraße 39, 0732 663 2 663, stueberl.stadtdiakonie@gmail.com
Tageszentrum Wärmestube. Mo., Di., Do.–So. 12 bis 19 Uhr, Mi. 15.30 bis 19 Uhr, Suppe ab 13 Uhr, warme Mahlzeiten ab 15.30 Uhr, Dinghoferstraße 54/Goethestraße 46, 0732 60 42 55-2340, waermestube@caritas-linz.at
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