Wie in vielen Bereichen wird auch bei Tierhaltung und Tierschutz auf längst überfällige politische Entscheidungen gewartet.
Tierschutzforderungen, Konsumentenwünsche und Landwirtschaftsinteressen lassen sich nicht immer (sofort) unter einen Hut bringen. Deshalb braucht es politische Entscheidungen, die eine Richtung vorgeben. Das Thema Tierschutz steht wie viele Bereiche durch die lange Wartezeit auf eine Regierung in der Warteschleife.
Das Tierschutzgesetz bedürfe „nach 20 Jahren dringend einer Generalsanierung. Vieles ist ein Flickwerk, es gibt zu viele Ausnahmen für diverse Interessengruppen, die Tiere wirtschaftlich nutzen“, kritisiert Jürgen Stadler vom Tierschutzhof Pfotenhilfe in Lochen.
Ein Beispiel dafür sei das Verbot von Vollspaltenböden für Schweine. Dieses sollte ursprünglich bis 2040 umgesetzt werden, doch der Verfassungsgerichtshof (VfGh) sah die Frist als zu „lang und sachlich nicht gerechtfertigt an“ und kippte es. Wird keine Nachfolgeregelung gefunden, tritt es mit 1. Juni 2025 in Kraft. Doch selbst wenn das Verbot eintritt, geht es der Pfotenhilfe nicht weit genug. Es sei „nur eine Verringerung der Spalten, eher eine kosmetische Veränderung ohne wirkliche Verbesserung für die Betroffenen“.
Der Leiter der Abteilung Tierhaltung in der Landwirtschaftskammer Oberösterreich (LK OÖ), Michael Wöckinger, stellt klar: „Kein Landwirt ist Tierhalter, um seine Tiere zu quälen und mit ihnen Profit zu machen. Nur wenn sie gesund sind und es ihnen gut geht, kann er sie verkaufen. Darum kümmert er sich rund um die Uhr um sie.“
Das Dilemma sei, dass die Betriebe einerseits ein Einkommen erwirtschaften können müssen und die Konsument:innen andererseits bessere Haltungsformen wünschen. „Würde dies auch bezahlt, wäre eine Umsetzung wohl schneller möglich“, sagt Wöckinger.
Von Expert:innen der LK, Branchen und Ministeriumsvertreter:innen liege ein Papier mit Vorschlägen vor, unter welchen konkreten Umständen man mit einer Umsetzung des Verbots leben könnte, sagt Wöckinger. „Die Betriebe brauchen endlich Planungssicherheit.“
Die Pfotenhilfe fordert neben anderem auch ein Lebendexportverbot bei Tiertransporten, „zumindest einmal in Drittstaaten wie Usbekistan oder Algerien“, sagt Jürgen Stadler. Die Tiere würden dort ohne Betäubung geschlachtet („geschächtet“).
Das stimme nicht, widerspricht Michael Wöckinger. Zudem hätten die usbekischen oder algerischen Käufer, die nicht wenig Geld für das Vieh hinlegen würden, das Anliegen, die Tiere so gut wie möglich zu transportieren. Die verwendeten Langstreckentransporter seien große Sattelschlepper mit Einstreuung, Lüftung und Tränkeeinrichtungen.
„Es gibt eine Reihe von Auflagen, beispielsweise eine genau geregelte Transportdauer mit einzuhaltenden Pausen, die Bekanntgabe der Fahrtroute, Regelungen, wann die Tiere abgeladen werden müssen, oder auch das Verbot des Transports bei Temperaturen über 30 Grad. Die Chauffeure müssen teils auch Fotodokumentationen machen“, erklärt Wöckinger.
Neben dem Verbot der Lebendtiertransporte und der Vollspaltenböden fordert die Pfotenhilfe auch eine höhere Kontrolldichte bei den Betrieben. Stadler: „Während sowieso jährlich nur bei zwei Prozent der Betriebe Kontrollen gesetzlich vorgesehen sind, statistisch also alle 50 Jahre, werden nicht einmal diese Mindestvorgaben eingehalten. Hier muss sich dringend etwas ändern, damit nicht nur zufällige Passanten oder Tierschützer Verstöße entdecken und anzeigen.“
Stadler bezieht sich hier auf einen Bericht des Rechnungshofs 2024, in dem die Nichterreichung der Zwei-Prozent-Marke kritisiert wurde. Diesen kennt auch Michael Wöckinger und streitet auch nichts ab. „Allerdings gibt es ergänzend zu den gesetzlichen noch eine Reihe zusätzlicher Kontrollen über die gesamten Qualitätsprogramme hinweg bis hin zu unangemeldeten Stichprobenkontrollen.“
Darüber hinaus gäbe es Visiten von Tier- oder Qualitätsbetreuungsdiensten. Nicht immer seien diese Kontrollen und Besuche für die Landwirt:innen angenehm, jedoch würden sie auch Sicherheit und Transparenz schaffen. Dass es Betriebe mit problematischer Tierhaltung gibt, „kann man nicht wegdiskutieren“, sagt Wöckinger. Allerdings müsse man hinterfragen, warum das so ist, und „zu den Betrieben durchdringen“. Daran werde gearbeitet.
Um tierfreundliche Einkaufsentscheidungen zu erleichtern, wünscht sich die Pfotenhilfe eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch und Milchprodukte nach Herkunft und Haltungsform, wie es bei Eiern selbstverständlich ist.
„Nicht zuletzt müssen aber auch tierfreundliche pflanzliche Lebensmittel gefördert werden. Jedes einzelne pflanzliche Schnitzel und jede pflanzliche Leberkäs- oder Wurstsemmel verhindert Tierleid“, sagt Stadler.
Mit dem Ama-Gütesiegel gebe es schon eine wertige Herkunftskennzeichnung, sagt Wöckinger. Genauer kennzeichnen könnte man jedoch Importwaren, die nur das Genusstauglichkeitszeichen tragen, das nicht viel aussage, sowie Eigenmarken, da diese auch ausländische Ware enthalten würden. So würde man den Konsument:innen eine bessere Wahl bieten.
Grundsätzlich gebe es mit Tierhaltung Plus und anderen Programmen bereits bestimmte Anforderungen an die Tierhaltung, jedoch „geht es nicht von heute auf morgen, dass sich die Betriebe adaptieren oder der Markt sich umbaut“.
Bei aller Kritik nennt die Pfotenhilfe aber auch einige positive Änderungen, die mit der Novelle des Tierschutzgesetzes mit Jahresbeginn in Kraft getreten sind. „Hier muss man in erster Linie sagen, dass zumindest bei Heimtieren nach 20 Jahren Bundestierschutzgesetz erstmals ein effizientes Vorgehen gegen Qualzucht geplant ist, unter der z. B. Hunde und Katzen ein Leben lang leiden.“
Auch die Ausweitung des Wildtierverbots auf Büffel und Kamele in Zirkussen begrüßt die Pfotenhilfe sowie einen Sachkundenachweis für die Haltung von Reptilien, Amphibien und Papageien.
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