Zentrale Worte in Ihrem Buch sind Menschlichkeit und Menschenfreundlichkeit. Was verstehen Sie darunter?
Gerhard Drexel: In der Mitarbeiterführung verstehe ich darunter, dass die Führungskräfte den Grundsatz beachten: „Behandle deine Mitarbeiter so, wie du selbst als Mitarbeiter behandelt werden möchtest.“ Es geht darum, die Würde und Einzigartigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder einzelnen Mitarbeiterin zu achten und zu respektieren. Ein Unternehmen mit Spirit zu führen, erfordert eine Kultur der Wertschätzung und des Vertrauens. Vertrauen hat eine enorme Wirkmacht: Wir verlassen uns auf Menschen, ermächtigen sie und holen dadurch die Mitarbeiter:innen aus dem „Stand-by-Modus“. Meine Erfahrung und Überzeugung ist, dass Wertschätzung Berge versetzen kann. Es gibt das „Wunder der Wertschätzung“, wie Professor Reinhard Haller sagt. Durch Wertschätzung verbreiten sich christliche Werte über das gesamte Unternehmen.
Sie argumentieren, dass Menschlichkeit und Wettbewerb zusammengehören. Wo ist der Denkfehler bei jenen Unternehmen, die auf Kosten der Menschlichkeit Wettbewerbsvorteile erzielen wollen?
Drexel: In meinem Buch beschreibe ich das „kausale Erfolgsduo“: Spirit und Kompetitivität. Jedes Unternehmen steht im Wettbewerb und braucht, um bestehen zu können, eine kompetitive Einstellung, die zu Wettbewerbsvorteilen führt. Wenn nun Unternehmen auf Kosten des Spirits, also auf Kosten einer Kultur der Wertschätzung und der Menschlichkeit, mit Ellbogentaktik im Wettbewerb voranmarschieren, übersehen sie, dass ihr Erfolg wahrscheinlich nicht nachhaltig sein wird. Oder aber, dass ihr Erfolg mit einer Vielzahl von physischen und psychischen Kollateralschäden verbunden ist. Das ist der Denkfehler.
Sie schreiben, dass es Menschlichkeit und Menschenfreundlichkeit in jeder Situation braucht. Wie geht man richtig mit dem Thema Kündigung um?
Drexel: Es gibt Situationen im betrieblichen Alltag, etwa Vertrauensbruch, in denen eine Kündigung nötig ist. Aber gerade in solchen unerwünschten Fällen geht es darum, menschlich zu agieren und menschlich damit umzugehen. Wir müssen uns bewusst sein, dass Unternehmensführung keine Wohltätigkeitsveranstaltung ist. Es geht darum, Wirtschaft und Menschlichkeit so gut wie möglich miteinander zu verbinden, die materielle und geistige Dimension zusammenzuführen.
Ihr Unternehmen, so verstehe ich Sie, möchte Werte transparent machen. Wie gehen Sie mit Wertekonflikten um? Ich denke an die Frage der Sonntagsöffnung in Bahnhofssupermärkten oder in Tourismusgebieten.
Drexel: Wir haben uns seit jeher immer für den arbeitsfreien Sonntag im Handel eingesetzt. Der Sonntag soll für die Mitarbeiter:innen im Handel so etwas wie eine „Verlangsamungs-Konstante“ sein, und deshalb sollen die Geschäfte geschlossen bleiben. Es ist aber kein Wertekonflikt, wenn der Gesetzgeber einige wenige Ausnahmestandorte definiert und diese Ausnahmen von der gesamten Branche auch genutzt werden. Dazu gehören etwa die Supermärkte in Hauptbahnhöfen. Wenn wir als Spar auf solche Standorte einseitig verzichten und diese somit dem Mitbewerber überlassen würden, dann würden wir unsere – vorhin erwähnte – kompetitive Einstellung aufgeben. Fehlende Kompetitivität zieht aber ein Unternehmen auf Dauer nach unten.
In Oberösterreich betreibt eine Gesellschaft der Caritas Spar-Märkte in Alberndorf, Asten, Ebelsberg und Wels, wo Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Bei aller Kundenorientierung reihen Sie im Buch die Beziehung zu den Mitarbeiter:innen knapp vor jene zu den Kund:innen. Kommt Ihnen das in Zeiten fehlender Arbeitskräfte entgegen?
Drexel: Wir haben einen Paradigmenwechsel auf dem Arbeitsmarkt. Während es in den 2000er-Jahren noch geheißen hat: „Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus“, müssen wir in den 2020er-Jahren feststellen: „Der Arbeitsgesellschaft gehen die Arbeitskräfte aus.“ Die hohe Arbeitslosigkeit der 2000er- und 2010er-Jahre ist einem hartnäckigen und systemischen Personalmangel in den 2020er-Jahren gewichen. Die Mitarbeiter:innen über alles zu stellen, ihnen mit Menschlichkeit, Wertschätzung und Empathie zu begegnen, ist ein Wesensmerkmal des spirituellen Führungsstils und gerade heute wichtiger denn je.
Sie kooperieren auch mit Einrichtungen für benachteiligte Menschen, zum Beispiel mit der Caritas OÖ bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Was erwarten Sie sich als Unternehmer davon?
Drexel: Bei unserer Zusammenarbeit mit der Caritas OÖ steht nicht der Ertrag im Vordergrund, sondern unsere Absicht, etwas Gutes für die Gesellschaft zu leisten. Wir sehen es als Ehre, mit so einer vorbildlichen Einrichtung wie der Caritas kooperieren zu dürfen. Und wir haben hier auch gelernt, dass viel erreicht werden kann, wenn Herzblut, Empathie und professionelle Herangehensweise Hand in Hand gehen.
Pater Johannes Pausch vom Gut Aich kooperiert bei Produkten mit Spar, hat das Vorwort zu Ihrem Buch geschrieben und kommt darin oft vor. Wie sind Sie auf Pater Johannes gestoßen?
Drexel: Es ist schon mehr als zehn Jahre her, da machte sich einer unserer tüchtigen Sortimentsmanager auf die Suche nach besonders glaubwürdigen regionalen Produzenten von erstklassigen Gewürzen und Salzen. Und keine Geringere als unsere hoch geschätzte Partnerin und Haubenköchin Johanna Maier aus Filzmoos gab uns den Rat, mit Pater Johannes Pausch vom Europakloster Gut Aich in Kontakt zu treten. Das war die Geburtsstunde einer wunderbaren, zunächst rein geschäftlichen und in der Folge auch spirituellen Zusammenarbeit und tiefen Freundschaft.
Das Buch: Gerhard Drexel, Auf den Spirit kommt es an. Mit Herz und Hirn zur Nummer 1, edition a, Wien 2022, 304 Seiten, € 25,–
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