Was das genau bedeutet und warum sich Mama, Papa und Kinder nicht mehr automatisch am Esstisch treffen, erklärt Josef Lugmayr, Familienseelsorger und Leiter von beziehungleben.at.
Durch die gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren funktioniert Familie nicht mehr in den gleichen Mustern wie früher, sagt Familienseelsorger Lugmayr: „Früher – das heißt nach der industriellen Revolution und den Fünfziger- und Sechzigerjahren – war der Mann für die Erwerbsarbeit zuständig und die Frau für die Sorgearbeit. Man ging in der Früh zur Arbeit, kam am Abend nach Hause und dann war Familienzeit.“
Dieses klassische System habe sich in mehrfacher Hinsicht verändert, da die Frauen durch ihr steigendes Bildungsniveau mehr in die Arbeitswelt drängten und die Männer umgekehrt stärker gefordert seien, sich mehr in die Sorgearbeit einzubringen.
„Auch die Arbeitswelt an sich hat sich sehr verändert. Die Münchner Soziologin Karin Jurczyk nennt das ‚die Entgrenzung von Arbeit und Leben‘. Es gibt Homeoffice, durch Handy und Laptop ist man ständig erreichbar.“ Früher seien die Leute „wirklich daheim“ gewesen, wenn sie daheim waren, heute kann jederzeit die Firma anrufen oder die Freund/innen erwarten Antworten auf ihre Whatsapp-Nachrichten.
Das, was Familie sei, nämlich miteinander an einem Ort präsent zu sein, miteinander zu reden, zu essen und/oder zu spielen, sei längst nicht mehr selbstverständlich. „Dieser Zustand muss bewusst hergestellt werden, darum heißt es Herstellungsleistung. Man muss sich organisieren, bewusst Zeit für die Familie reservieren, damit das auch gelingen kann“, sagt Lugmayr. Das Handy beim Essen, beim Spielen oder Hausübungmachen bewusst weglegen, und die volle Aufmerksamkeit dem Partner, der Partnerin und den Kindern schenken.
Da es sich bei digitalen Medien und deren Einfluss auf die Beziehung zwischen Familienmitgliedern um ein brandaktuelles Thema handelt, macht beziehungleben dies auch zum Schwerpunkt beim „Tag der Beziehung“ am 14. Mai, einer von mehreren Veranstaltungen rund um den Tag der Familie, der am 15. Mai stattfindet. Dieser soll den Fokus auf die Bedeutung der Familien – in welcher Konstellation auch immer, ob Paare, Alleinerziehende, Groß- oder Patchworkfamilie – lenken und ein Bewusstsein für deren Förderung schaffen.
Laut Lugmayr müssen auch Kirche und Politik den Wert der Familie erkennen und entsprechend zu deren Gelingen beitragen. Ein Baustein dafür sei ein stabiles Netz an Kinderbetreuung: „Das ist enorm entlastend für die Familien, denn wenn die Eltern die Kinder versorgt wissen,
haben sie den Kopf frei für andere Dinge.“ Auch finanziell brauche es Unterstützung, Kinderbetreuungsgeld sei „kein Luxus, sondern wirklich notwendig. Denn bis in die Ausbildung der Kinder hinein gibt es seitens der Familien einiges zu leisten“. Karenzregelungen sollten zudem so gestaltet sein, dass ein partnerschaftliches Elternmodell möglich ist. „Der Papamonat ist schon mal ein guter erster Schritt. Die Väterkarenz hingegen ist zwar von politischer Seite her durchaus ermöglicht, hinkt in der praktischen Umsetzung jedoch noch oft hinterher.“
Lugmayr warnt davor, Familie innerkirchlich zu sehr zu idealisieren und die Schwierigkeiten, die es nun mal gebe, „wegbeten“ zu wollen. Stattdessen brauche es kirchliche Angebote, um bestehende Probleme zu lösen, und damit „wir das Leben in Fülle haben, wie es im Evangelium heißt. Denn wenn Familie gelingt, ist das ein Ort, wo ganz viel Glück, Erfüllung und Schönes möglich ist“.«
Tag der Beziehung, Sa., 14. Mai, 13.30–17.30 Uhr, Infos unter www.beziehungleben.at
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