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Sie waren unter den Ersten, die Ende Jänner begonnen haben, in Linz für das Klima zu streiken. Wie ist es dazu gekommen? Was waren die Bewegründe?
Lara Leik: Ich bin Studentin und habe am 25. Jänner parallel zu Ida und der Schülergruppe angefangen zu demonstrieren. Ich habe gedacht, ich muss was machen, selbst wenn ich mich alleine für eine Stunde vor das Landhaus hinstelle. Ich war superfroh, als ich beim Klimastreik gesehen habe, dass es außer mir noch mehr Aktivistinnen und Aktivisten gibt.
Meine Motivation ist, dass dem Klimawandel keiner auskommt. Selbst wenn wir die Ersten sind, die sich auf die Straße stellen, werden das früher oder später alle Menschen machen. Wir versuchen nur, dass es so früh passiert, dass es nicht zu spät ist für das Abwenden des Klimawandels.
Ida Berschl: Es gibt keine ganz persönlichen Beweggründe, für das Klima zu streiken, außer dass jede und jeder was tun sollte, weil alle betroffen sind.
Kommt es auch zu direkten Reaktionen auf den Klimastreik von Passantinnen und Passanten auf der Straße?
Leik: Ja, und die meisten sind positiv. Ich habe aber auch schon mit Leuten diskutiert, die glauben, dass die Sonne einen Zyklus hat, etwa wie eine Frau.
Am Faktum, dass es den menschlich verursachten Klimawandel gibt, lässt sich ja wenig rütteln. Inwieweit kann man diesen Aspekt eigentlich diskutieren?
Leik: Das fällt mir manchmal auch schwer. Fast jede und jeder in Europa hat genug Bildung genossen, um den Klimawandel zu verstehen. Die Fakten sind für alle auf der Welt zugänglich und eindeutig. Das Problem sehe ich in der Verdrängung. Wir Menschen können das supergut. Deshalb gehen wir auf die Straße, um die Leute aus diesem Verdrängen rauszuholen.
In den letzten Wochen war auffallend, dass die Bewegung gezielt versucht hat, die Zielgruppe zu erweitern, noch mehr Menschen ins Boot zu holen, etwa bei „Religions for Future“ mit Kirchenvertretern am Karfreitag.
Leik: „Fridays fo Future“ ist nicht nur ein Schülerstreik. So hat es angefangen, aber ich glaube, die Bewegung ist nur erfolgreich, wenn Schüler, Studierende, Arbeiter, Pensionisten, einfach alle Menschen, die es gibt, zusammenarbeiten.
Berschl: Am zahlreichsten unterstützen uns derzeit die Eltern, also die „Parents for Future“.
Lehrlinge bzw. Arbeiter sind noch nicht sichtbar beim Klimastreik. Wie kann man das ändern?
Berschl: Das ist vielleicht ein Fehler von uns in der Mobilisierung. Bis jetzt haben wir fast nur Ansprechpartner an den Schulen.Das lässt sich sicher ändern in nächster Zeit.
Leik: Es gibt in anderen Ländern den Versuch auf die Gewerkschaften zuzugehen, damit Fridays for Future die Arbeiter besser einbinden kann. Im Endeffekt müssen wir, wenn wir die Bewegung weiterbringen wollen, nicht nur jeden Freitag auf die Straße gehen, sondern auch das Konsumverhalten ändern. Außerdem ist es wichtig, dass die Leute gar nicht mehr in umweltschädliche Arbeitsplätzen arbeiten wollen.
Die Klimawende zu schaffen, das hängt stark vom persönlichen Lebensstil ab. Was muss sich ändern?
Berschl: Niemand ist perfekt, aber wenn man sich bewusst macht, wie man lebt und was man kauft, hat man schon einen großen Schritt gemacht. Mit unserer Bewegung können wir nicht nur in der Politik was bewegen, sondern auch bewirken, dass in der Gesellschaft Entscheidungen bewusster getroffen werden.
Leik: Wir brauchen in Österreich nicht lauter Leute, die jetzt vegan leben, sondern wir versuchen wirklich zu erreichen, dass alle in allen Alters- und Bildungsschichten ein Stück weit umdenken.
Berschl: Wenn auf der ganzen Welt jeder seinen Fleischkonsum um die Hälfte reduziert, wäre schon viel erreicht.
Leik: Im Endeffekt spart man sich auch Geld mit allen, wenn man nicht immer da neueste iPhone braucht. Ich habe mir seit einem halben Jahr nichts Neues mehr gekauft. Und das sieht auch nicht ganz schlimm aus, hoffe ich. Das geht eigentlich supereinfach. Man muss nur ein paar Gewohnheiten ändern, das man nicht mehr alles neu kauft.
Berschl: Ich glaube es ist anstrengend, wenn man immer up to date sein muss. Besser ist, wenn man nur einkauft, was man wirklich braucht.
Leik: Die meisten Menschen arbeiten sehr viel, um Geld zu verdienen und um sich mit diesem Geld was zu gönnen, weil sie ja so viel arbeiten. Manche haben ein riesengroßes Haus, arbeiten aber so viel, dass sie nie da sind. Von dieser Gesellschaft mit diesem hohen Zeitstress müssen wir wegkommen.
Nehmen wir zum Beispiel die klimaschädlichen Flugreisen. Wie gehen Sie selbst damit um?
Berschl: Bei meiner Maturareise fliege ich nicht irgendwohin, sondern ich campe mit Freunden am Attersee und fahre Interrail mit meinen Geschwistern.
Leik: Seit ungefähr einem Jahr sage ich, dass ich keine Flugreisen machen mag. Bei mir im Freundeskreis ist es mittlerweile so, dass meine Freunde bei gemeinsamen Reisen sagen: „Oh Lara kommt mit, dann können wir nicht fliegen und müssen ewig mit dem Zug fahren.“ Ich nehme das als Kompliment. Ich versuche, nie mit dem Zeigefinger zu kommen und zu sagen: „Du machst das schlecht.“ Ich habe eine gute Bilanz von Freunden, die ich mit meinen Verhalten anrege.
Sollten die Schulen anfangen, Flugreisen für Klassenfahrten zu streichen?
Berschl: Bei uns an der Schule gibt es einen Dänemark-Austausch. Die Dänen fliegen immer zu uns, wir fahren aber mit dem Zug. Ich glaube, es kann schon funktionieren, wenn eine Person in der Schule kritisch ist und die Routinen hinterfragt: „Wieso machen wir das so, wieso machen wir das nicht anders?“
Leik: Ich denke, dass sich da in der Gesellschaft was ändern muss. Keiner fährt mit dem Zug, wenn der viel teurer ist als der Flieger.
Berschl: Bei uns wird alles versteuert und Kerosin wird nicht versteuert, das ist ungerecht.
Leik: Der Preis muss der Ökobilanz angeglichen werden. Deshalb fordern wir eine CO²-Steuer und eine Kerosinsteuer mit dazu. Es gibt Studien, die besagen, dass bereits eine Steuer von 70 Dollar pro Tonne CO² in der EU und den USA ausreichen würde, um bis 2050 90 % der Welt mit erneuerbaren Ressourcen energetisch zu betreiben.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Treibstoffpreise erhöht und bekam heftigen Gegenwind zu spüren.
Berschl: Es geht darum auch die soziale Komponente zu berücksichtigen, sodass bei der Ökosteuer nicht die ärmere Schicht der Bevölkerung draufzahlt.
Eine zentrale Forderung von Fridays for future ist Klimagerechtigkeit. Was ist darunter zu verstehen?
Berschl: Wer zahlt bei der Klimakrise drauf? Das ist in erster Linie nicht Österreich, sondern das sind die Inseln die versinken, wenn den der Meeresspiegel steigt.
Leik: Die reicheren Länder sollen helfen, damit erneuerbare Energien überall finanziert werden können. Wobei man sagen muss das viele ärmere Länder teilweise weiter sind in Sachen Umweltschutz als Österreich und Deutschland. In vielen afrikanischen Ländern sind zum Beispiel Plastiktüten verboten.
Sie haben beim Solidaritätspreis den Landeshauptmann aufgefordert, den Klimanotstand auszurufen.
Berschl: Wesentlich ist, was der Landtag selbst machen kann. Ein großer Part ist der Klimanotstand, das ist ein Zeichen, dass der Landtag mit dem Wissen im Hintergrund handelt, dass es eine Klimakrise gibt. Jede Entscheidung muss durch den Scanner laufen: Was schadet unserer Umwelt, was trägt zur Klimakrise bei.
Die Forderung wurde bereits zum zweiten Mal übergeben, das erste Mal schon Mitte März.
Leik: Ja, und wenn wir die noch einmal übergeben, dann machen wir das nicht, weil sich seitdem so viel geändert hat, sondern weil wir nochmals darauf hinweisen wollen.
Seit vier Monaten laufen die Proteste in Linz, hat sich schon irgendwas bewegt?
Berschl: Auf politischer Ebene kaum. Aber auf gesellschaftlicher Ebene hat sich schon was getan, wir haben großen Zuwachs bekommen. Es kommen ganz viel Bürgerinitiativen und Organisationen auf uns zugekommen und sagen: „Es ist cool, was ihr macht, wir wollen mit euch kooperieren.“ Da haben wir schon viel geschafft.
Leik: Unser Ziel ist, uns so breit aufzustellen, dass die Politiker uns nicht mehr ignorieren können, weil sie, um Wähler zu bekommen, die Klimaziele umsetzen müssen.
Kann das bei der EU-Wahl am 26. Mai schon eine Rolle spielen?
Leik: Wir schlagen keine Partei vor. Wir sagen nur, lest euch die Programme der Parteien durch und wählt das, womit ihr euch am meisten identifizieren könnt. Wir hoffen, dass die Konstellation so ist, dass auch Politiker dabei sind, die auch irgendwas für die Klimaziele tun.
Schauen wir in die Zukunft. Wie lange werden Sie noch streiken?
Berschl: Es geht um unsere zentrale Forderung, dass das Ziel eingehalten wird, dass sich das globale Klima nicht um mehr als 1,5 Grad bis 2050 erwärmt. Solange das nicht passiert, werden wir weiterstreiken. Wir können keine konkrete Zeitspanne nennen, denn die CO²-Emmissionskurve steigt immer noch. «
Zur Sache
Ida Berschl aus St. Florian am Inn erhielt für ihr „Fridays for Future“-Engagement eine „Anerkennung“ im Rahmen des Solidaritätspreises der KirchenZeitung. Stellvertretend für die überparteiliche Bewegung würdigten die Jurymitglieder die Schülerin und damit das Engagement Tausender Jugendlicher, die in Oberösterreich, Österreich und weltweit für ein Umdenken in der Klimapolitik auf die Straße gehen. Im Rahmen der Preisverleihung am 14. Mai übergaben Ida Berschl und ihre Mitstreiter/innen Landeshauptmann Thomas Stelzer zum wiederholten Mal eine Resolution. Zentrale Forderung: Der Oberösterreichische Landtag soll den Klimanotstand erklären und damit beschließen, die Eindämmung der Klimakrise und deren schwerwiegende Folgen als Aufgabe von höchster Priorität wahrzunehmen. Außerdem fordern die Klimaaktivistinnen und -aktivisten, dass der Landtag alle bestehenden und neuen Gesetze, Verordnungen bzw. Aktivitäten der Landesregierung auf die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit hin überprüfen soll.
Anlässlich der Europawahl werden am 24. Mai 2019 über die Grenzen Europas hinaus junge Menschen auf die Straße gehen, um auf die Bedeutung der Europawahl für das globale Klima aufmerksam zu machen. Auch in Linz findet dazu eine große Kundgebung statt, die um 11.55 Uhr auf dem Hauptplatz startet.
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