Die Mandelbäume stehen auf der größten Insel Italiens in voller Blüte, die Zitronen sind reif, Schafe grasen auf der Weide, Hyazinthen verströmen ihren Duft. Die ganze Woche begleitete Sonnenschein die 185 Leser/innen der KirchenZeitung auf ihrer Reise. Erst als am Samstag, 23. Februar die Abfahrt Richtung Flughafen auf dem Programm stand, fing es zu regnen an. „Das ist enterisch“, meinte eine Reiseteilnehmerin lachend. Ob der viele Gesang die Regenwolken vertrieben hatte, ist ungewiss. Auffallend war jedenfalls, dass an allen möglichen Orten gesungen wurde: auf dem Ätna, Europas höchstem Vulkan, oder vor dem Tempel der Concordia in Agrigento, in der Wallfahrtsgrotte der heiligen Rosalia – und täglich in den vier Bussen, mit denen die Teilnehmer/innen unterwegs waren.
Kultur, Natur und Religion prägen seit Jahrtausenden die dreizackige Insel – von den Griechen „Trinakria“ genannt –, sie waren auch Fixpunkte dieser Reise.
Sizilien ist nur einige Kilometer vom italienischen Festland entfernt, Tunesien liegt in 160 Kilometer Entfernung. Griechen, Römer und Araber haben in Architektur und Kulinarik ihre Spuren auf der Insel hinterlassen. Zierliche Spitzbögen und Couscous mit Gemüse zählen dazu. Beeindruckend, wie Christen, Juden und Muslime im 12. Jahrhundert friedlich mit- und auch nebeneinander gelebt haben. Zeugen davon sind dreisprachige Inschriften aus der Zeit Rogers II. und der Normannenpalast mit prächtigen Mosaiken. Über allem thront – wie im Dom von Monreale – der Pantokrator, Jesus Christus als der „Allherrscher“. Faszinierend, wie Kultur und Architektur auf bereits vorhandenen Traditionen aufbauten: In vielen Kirchen finden sich Tempelsäulen, die in die christlichen Gotteshäuser integriert wurden. Besonders gut sichtbar sind diese im Dom von Syrakus. Auch der Tempel der Concordia in Agrigento hat die Zeiten nur überdauert, weil er im 6. Jahrhundert in eine Kirche umgewandelt wurde.
Theateranlagen in Segesta, Syrakus und Taormina boten Platz für bis zu 15.000 Zuschauer/innen. Im kleinen Städtchen Taormina finden heute wieder alljährlich Festspiele im griechisch-römischen Theater statt. Johann Wolfgang von Goethe war 1787 einer der ersten Touristen dort. Die Anlage mit Blick auf das Meer wurde im 3. Jahrhundert vor Christus errichtet und liegt an der Ostküste nordöstlich des Ätna.
Der Ätna spuckte in diesen Tagen nur mäßig, sodass alle 185 Reisegäste einen Spaziergang in 2.000 Meter Höhe wagen konnten. Für viele ein unvergessliches Erlebnis, das durch den gemeinsam angestimmten Sonnengesang des Franz von Assisi noch verstärkt wurde.
Wenn die KirchenZeitung eine Reise mache, dürfe auch der Blick auf die Gesellschaft und die soziale Situation der Menschen heute nicht fehlen, betonte der Herausgeber der KirchenZeitung, Bischofsvikar Willi Vieböck.
In Palermo besuchten alle Reisenden das Anti-Mafia-Zentrum, das auf den seligen Padre Pino Puglisi zurückgeht. Seinen Einsatz für die ärmeren Bewohner/innen Palermos beäugte die Mafia misstrauisch. Letztlich bezahlte der Priester sein Engagement für die sozial Schwächeren mit dem Leben, sein Werk lebt jedoch weiter. «
Bewegende Momente
Nur drei Jahre war Pino Puglisi Pfarrer im Stadtteil Brancaccio in Palermo gewesen. Erzählen Menschen dort heute von ihm, wird ihre Stimme zittrig, die Augen werden feucht. Am 15. September 1993 wurde er vor dem Wohnhaus, in dessen erstem Stock er wohnte, von Mafia-Leuten erschossen. Es war an seinem 56. Geburtstag. Auch sein Mörder habe die Augen seines Opfers nicht vergessen können, wie er später erzählte. Pino Puglisi hat das „Zentrum der Gastfreundschaft Padre Nostro“ gegründet. Kinder und Jugendliche sollten vor allem Bildung erhalten – und damit eine Zukunft in diesem verarmten Stadtteil der sizilianischen Hauptstadt. Im Mai 2013 wurde Padre Puglisi von Papst Franziskus seliggesprochen.
Der Besuch dieses Zentrums war einer der bewegenden Höhepunkte der Leser/innen-Reise der KirchenZeitung. Das Zentrum ist ein Ort der Begegnung. Draußen auf dem Sportplatz herrscht reger Betrieb. Jugendliche Freigängerinnen und Freigänger, die wegen Armut straffällig geworden sind, können hier ein wenig Abwechslung vom Gefängnisalltag erleben. Am Nachmittag werden die Kinder des Stadtteils kommen. Ein Altenheim wird vom Zentrum geführt. Auch Frauen, die Gewaltopfer geworden sind, finden hier Unterstützung. Drinnen, in einer großen Garage, die der Mafia vom Staat abgenommen worden ist, werden die Besucher/innen aus der Diözese Linz von den Freiwilligen des Zentrums bewirtet. Es ist eine herzliche Begegnung. Sogar der Bürgermeister der Stadt Palermo, Leoluca Orlando, ruft während der Begegnung an, um einen Gruß an die Gruppe zu richten. Er ist für seine konsequente Haltung gegenüber der Mafia bekannt, aber auch als einer, der keinen Unterschied zwischen Heimischen und Flüchtlingen macht. Mit der „Charta von Palermo“ plädiert die Stadt für eine grundsätzlich Haltung: Der Mensch braucht keine Aufenthaltsgenehmigung für das Leben. Wo er sich befindet, soll er auch Staatsbürger sein.
Matthäus Fellinger
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