Eine Mutter, die aussieht wie aus dem Ei gepellt, die alles mit links macht und deren Baby immer zufrieden lächelt – solche Bilder einer scheinbar perfekten (Familien-)Welt begegnen einem zuhauf in den sozialen Medien.
Diese trügen nicht nur, aber auch dazu bei, dass sich junge Eltern enorm unter Druck gesetzt fühlten, unbedingt perfekt sein zu müssen, sagt Michaela Kaiser. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins ZOE. Die Beratungseinrichtung für Paare, Eltern und Schwangere feiert heuer ihr 25-jähriges Jubiläum. Zum Fest am 15. Mai im Stift Wilhering kommen unter anderem Bischof Manfred Scheuer, Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander und die Schriftstellerin Vea Kaiser.
Immer mehr Eltern kommen aufgrund des oben beschriebenen Drucks in die Beratung. Bei Müttern sei das noch ausgeprägter als bei Vätern, sagt Kaiser: „Wenn das Baby geboren ist, glauben Frauen, sie müssten, wenn es schreit, auf der Stelle wissen, warum es das tut, und sofort wissen, was zu tun ist. Wenn das nicht funktioniert, haben sie das Gefühl, keine adäquaten Mütter zu sein.“
Zudem herrsche oft der Glaube, gleichzeitig noch tolle Ehe- und Hausfrau sein zu müssen, und am besten nebenbei noch berufstätig zu sein. Hier versuche man in der Beratung entgegenzuwirken: „Ich sage meinen Klientinnen immer, eine Mutter müsse nicht perfekt sein. Eine perfekte Mutter gibt es gar nicht, sondern sie muss gut genug sein. Gut genug bedeutet, dass sie sich einfach auf dieses Kind einlässt. Da dürfen auch Fehler passieren – deswegen hat das Kind nicht gleich einen Schaden fürs Leben.“
Michaela Kaiser findet es traurig, dass Frauen meist nicht offen über ihre Situation sprechen. Auch ihre eigene Tochter habe das bei ihrem ersten Kind erlebt. Sie war in eine Babygruppe gekommen und sei entsetzt gewesen, weil alle dort von ihrem tollen Leben geschwärmt haben. Jedoch traute sich Kaisers Tochter zu sagen, dass es bei ihr nicht so sei, dass sie beispielsweise mit ihrem Mann über dies und jenes streite. Erst da fingen die anderen auch an, sich zu öffnen. Das Team von ZOE versucht ebenso, den Druck herauszunehmen und zu vermitteln, „dass es normal ist, auch einmal Zweifel zu haben, unglücklich in der Situation zu sein. Sich einzugestehen, dass gerade das Leben mit Säuglingen und kleinen Kindern nicht immer toll ist“, sagt Kaiser.
Zwei andere Themen, die bei ZOE immer mehr aufschlagen, sind die gewollte bzw. ungewollte Kinderlosigkeit. Einerseits gebe es immer mehr Paare, die sich sehnlichst ein Kind wünschten, wo es aber einfach nicht klappe. Mittlerweile sei jedes fünfte bis achte Paar ungewollt kinderlos. Frauen seien heutzutage älter, wenn der Kinderwunsch auftaucht – Ausbildung, Berufsleben und das Schaffen eines gewissen Lebensstils würden vorgezogen, sagt Kaiser. Oft würden Partnerschaften auch später geschlossen.
„Auf der anderen Seite erleben wir die Entwicklung, dass sich Paare bewusst gegen Kinder entscheiden.“ Früher sei es einfach normal gewesen, Kinder zu bekommen, das wurde nicht in Frage gestellt. Heute seien die Menschen stärker auf ihr individuelles Lebensglück bedacht, sagt die Beraterin. Außerdem sei ihnen bewusster, dass ein Kind das Leben völlig auf den Kopf stellt. „Es steht niemand Außenstehendem zu, das zu bewerten. Ich finde es einerseits ganz wichtig, Paaren zu helfen, die ungewollt kinderlos sind, und andererseits die Einstellung jener zu akzeptieren, die keine Kinder möchten“, sagt Kaiser bestimmt.
Was der Verein ZOE seit Jahren fordert, ist eine Statistik zu den Gründen von Schwangerschaftsabbrüchen. Österreich sei eines von nur drei Ländern in Europa, wo es keine solche Statistik gebe. Michaela Kaiser: „Erst wenn man weiß, warum Frauen oder Paare eine Schwangerschaft abbrechen, kann man auch Gegenmaßnahmen ergreifen. Dann kann man schauen, was sie bräuchten, um sich vielleicht doch für ihr Kind zu entscheiden.“
Ein weiteres, altbekanntes Thema sei die nach wie vor nicht gut funktionierende Kinderbetreuung, besonders am Land. „Wir sind seit zwei Jahren bei einem Pilotprojekt dabei, wo wir im Rahmen des Eltern-Kind-Passes Beratung anbieten zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Das Problem sei, dass Frauen geraten werde, nicht zu lange zuhause zu bleiben, gleichzeitig aber die Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder fehlten.
Egal in welcher Situation sich die Paare, Familien oder Frauen befinden, dem Verein ZOE sei es wichtig, stets ergebnisoffen zu beraten. „Wir stülpen unseren Klientinnen nicht unsere Werte über, sondern entwickeln gemeinsam mit ihnen Lösungen, die für sie stimmen“, betont Kaiser.
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