„DIE österreichische Gesellschaft gibt es streng genommen nicht“, sagte Bischof Manfred Scheuer am 5. Oktober 2018 im Rahmen der zweitägigen Tagung „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ in der Arbeiterkammer Linz. Vielmehr hätten sich verschiedene Lebenswelten herausgebildet, die Berührungspunkte aufwiesen. Diese unterschiedlichen Gesellschaftsformen und -gruppen miteinander in Beziehung zu bringen, sei eine grundlegende Aufgabe für politische Entscheidungsträger/innen, aber auch für Interessenvertretungen und Kirchen. Die aktuellen Herausforderungen sind groß: Die Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung steigt, Finanz- und Wirtschaftskrise haben Spuren hinterlassen, die Europäische Union bröckelt, Angst und Ausgrenzung werden politisch ausgenutzt und die Folgen des Klimawandels sind spürbar.
„Wir wissen in vielen Bereichen gut, was zu tun wäre“, sagte Ulrich Brand. Der Professor für Internationale Politik war einer von fünf Implusgeberinnen und -gebern auf der Tagung. Die gesellschaftliche Spaltung und die ökologische Zerstörung könnten aufgehalten werden, so Brand, zum Beispiel durch ökologisch und regional produzierte Lebensmittel, langlebige Elektrogeräte, öffentlichen Verkehr (statt weiterer Flughafenpisten) oder eine öffentliche Daseinsvorsorge. Dem stünden mächtige Interessen, aber auch die eigenen Gewohnheiten entgegen. Karin Heitzmann, Professorin für Sozialpolitik, analysierte die Herausforderungen für den österreichischen Wohlfahrtsstaat. Die Menschen würden immer älter. Wirtschaftliche Entwicklungen wie etwa die Globalisierung förderten neue soziale Unsicherheiten. Die traditionelle Familie verändere sich und damit auch die Pflege- und Betreuungssituation. Damit der Wohlfahrtsstaat bestehen bleibe, brauchte es Anpassungen in diesen Bereichen, so Heitzmann, etwa eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters. Die Tagung stand im Zeichen des Brückenbauens, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. „Aber es braucht Menschen, die sie bauen“, wandte sich Moderator Heinz Mittermayr an das Publikum.
„Die demografische Entwicklung, die Globalisierung und die Auflösung der traditionellen Familie fordern den Sozialstaat heraus. Dem könnte etwa durch ein erhöhtes Pensionsalter begegnet werden.“
Dr. Karin Heitzmann, Wirtschaftsuniversität Wien
„Es gibt eine ideologische Verschiebung. Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge werden zum zentralen Problem gemacht und die Armen zu Ausbeutern des Sozialstaates.“
Dr. Ulrike Herrmann, Korrespondentin der „tageszeitung“, Berlin
„Ich werbe für eine europäische Republik, die auf dem allgemeinen politischen Gleichheitsgrundsatz, dem Sockel jeder Demokratie, beruht: Wahlrechtsgleichheit, Steuergleichheit und der gleiche Zugang zu sozialen Rechten.“
Dr. Ulrike Guérot, Donau-Universität Krems
„Unser Wohlstand basiert auf der Ausbeutung von Mensch und Natur in anderen Weltregionen. Eine Alternative ist ein ‚gutes Leben für alle‘, das heißt u. a. eine hohe Lebensqualität – und nicht immer mehr materielle Güter.“
Dr. Ulrich Brand, Universität Wien
„Ein System, in dem man Geld durch Finanzveranlagung und -spekulation arbeiten lässt, zerstört sich selbst. Es kommt darauf an, das System zu verstehen und zu erkennen, dass es schlecht ist.“
Dr. Stephan Schulmeister, Wirtschaftswissenschafter, Wien
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