Frauen in der Zwangsprostitution Ausstiegsmöglichkeiten zu bieten, daran arbeitet die Initiative gegen Menschenhandel. Heuer lenkte Männerforscher Erich Lehner den Blick auf die Männer im Sexgeschäft.
Tausende Männer in Oberösterreich kaufen täglich Sex von Frauen, die zu ca. 90 Prozent aus dem Ausland kommen. Immer klarer wird, dass dieses Geschäftsmodell vom Frauenhandel lebt, oftmals werden die Frauen zudem sexuell ausgebeutet und von ihren „Arbeitgebern“, sprich Zuhältern und Bordellbetreibern, finanziell abhängig gemacht. Dass viele dieser Frauen in Zwangsprostitution tätig sind und keine Ausstiegsmöglichkeiten haben, darauf machte der europäische Tag gegen Menschenhandel am 18. Oktober mit einer Veranstaltung in Linz aufmerksam. Ausstiegsszenarien zu schaffen und das Bewusstsein für die gleiche Würde von Mann und Frau zu fördern, ist das Ziel der Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – Aktiv für Menschenwürde in OÖ“. Initiatorin ist Sr. Maria Schlackl von „Solwodi“.
Männer- und Geschlechterforscher Erich Lehner war heuer Gastredner. „Die Kunden fallen in die Schwankungsbreite normaler Männlichkeit“, beschreibt Lehner die „Freier“: „Es sind keine besonderen Männer, die Laufhäuser oder Bordelle besuchen. Sie kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten“, sagt Lehner. Es ist der Mann von nebenan, der die Dienste von Prostituierten, heute oft „Sexarbeiterinnen“ genannt, in Anspruch nimmt. Man könne davon ausgehen, dass 20 Prozent der Männer einmal Kontakt mit Prostituierten haben, meint Lehner. Über 90 Etablissements gibt es offiziell, 900 Frauen sind legal in Oberösterreich gemeldet. Seit 2013 wurden allein in Linz über 200 illegale Wohnungsbordelle geschlossen.
Grundsätzlich gäbe es verschiedene Gruppen von Männern mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Das Geschäft funktioniere, weil Männer diese Sex-Dienstleistungen in Anspruch nehmen. In einer männlich dominierten Welt sei es noch immer so, dass viele Männer das Gefühl haben: „Ich brauche das jetzt. Das steht mir zu.“ Sexualität werde dabei auf Lustgewinn reduziert, die nötige Dienstleistung wird bei Bedarf erworben – ein typisches Konsumverhalten? Erich Lehner analysiert: „Viele Männer leben in einer Welt, die von starkem Konkurrenzdenken geprägt ist. Sie sind Hierarchien und Abgrenzungen gewöhnt. Solidarität ist verbunden mit Gegnerschaft, denn der andere könnte mein Konkurrent sein. Persönliches bleibt in beruflich-freundschaftlichen Beziehungen ausgespart.“ Das Bedürfnis nach Nähe, Zärtlichkeit und Sexualität bleibt aber. „Prostituierte müssen heute ein großes Bedürfnisspektrum abdecken: Sie müssen auch Emotionalität bieten und Kuscheln. Das alles passiert in einem gewaltaffinen Umfeld. Diese Gewalt wird von Männern in Kauf genommen“, weiß Lehner. „Sie nehmen diese Gewalt zwar wahr, es hat aber keine Auswirkungen.“ – Respektvolle Behandlung und die Achtung der Menschenwürde sind keine Standards in Laufhäusern und Bordellen. „Die Industrialisierung hat hier voll eingesetzt. Es gibt eine sogenannte ‚Flate rate’: Das bedeutet, dass jede einzelne Prostituierte noch mehr Kontakte in noch kürzerer Zeit über sich ergehen lassen muss.“ Das alles führe dazu, dass die „Frau als Ware und als Billigangebot“ gesehen werde. „Dies als Arbeit zu bezeichnen, da tue ich mir schwer“, meint Lehner. Zudem gibt Lehner zu bedenken, dass es zu 90 Prozent Männer seien, die diese Dienste in Anspruch nehmen, und: „Es sind Frauen, die hier männliche Bedürfnisse befriedigen.“«
Infos: salvatorianerinnen.at, www.solwodi.at
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