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Während des ersten Lockdowns bekamen sie kurzfristig eine nie dagewesene Anerkennung zu spüren. Viele Medien sprachen ihnen in ihren Berichten überschwänglich Heldenstatus zu, was durchaus seine Berechtigung hatte. Tausende Angestellte im Handel – vorwiegend Frauen – hielten die Grundversorgung des Landes aufrecht. Doch der anfängliche Beifall verhallte relativ schnell. Aus Dankbarkeit wurde in den Monaten danach zunehmend Frust, den die Konsument/innen oft direkt am Verkaufspersonal ausließen. Betriebsseelsorgerin Tamara Mosberger betreut Frauen im Handel in den Einkaufzentren Haid und der Plus City und kennt deren Leid mit grantiger Kundschaft aus vielen Gesprächen und auch aus eigener Erfahrung. Im heurigen September hat sie ein Betriebspraktikum beim Maximarkt in Haid absolviert. „Man darf es sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen, aber es gibt schon einige Kunden, die sehr ungehalten reagieren, wenn man sie an die Maskenpflicht erinnert“, sagt sie. In einem Geschäft sei man dem Frust der Menschen naturgemäß stark ausgesetzt, es gebe kaum Rückzugsmöglichkeiten. Je schlechter die Coronazahlen, desto schwieriger und anstrengender die Menschen, beobachtete Mosberger: „Das Positive daran war, dass der Zusammenhalt unter den Mitarbeiterinnen recht stark war.“
Doch es baue sich natürlich nicht nur durch die Konsumenten Druck auf. Extraschichten schieben, die Sorgen um den Arbeitsplatz in den Branchen abseits des Lebensmittelhandels und die Betreuung der Kinder im zweiten Lockdown, die in der Regel in Frauenhand liegt. „Die Mütter zerreißen sich zwischen Arbeit und Home Schooling“, meint Mosberger.
„Es gibt bereits einige Frauen, die sich überlegen, ob sie im Einzelhandel weiterarbeiten wollen“, berichtet Marta Stollmayer, die als Betriebsseelsorgerin in der Linzer Innenstadt für Frauen im Handel zuständig ist. Normalerweise geht sie von Geschäft zu Geschäft, um ihre Gespräch zu führen. Derzeit hält sie den Kontakt vorwiegend per Telefon und E-Mail. Den Wechselwilligen bietet sie Unterstützung durch die Berufsnavigation der Betriebsseelsorge an. Doch es würden am Ende viele dieser Frauen in der Branche bleiben, nicht zuletzt, weil sie nicht die finanziellen Möglichkeiten für eine Ausbildung hätten oder schon zu alt seien für einen Jobwechsel.
Martha Stollmayer zeigt grundsätzlich Verständnis für die Probleme der Kleinunternehmer im Einzelhandel. „Sie haben es natürlich jetzt auch schwer, müssen ihre Kredite bedienen und leiden an Existenzängsten, manche müssen zusperren.“ Der Onlinehandel mache gerade den kleinen Geschäften das Leben schwer. „Ich würde mir sehr wünschen, dass die Kunden vor dem nächsten Onlinekauf bei ‚Amazon’ und Co. dran denken, dass viele – auch kleinere – Unternehmen schon seit dem Frühjahr Alternativen anbieten, wie man online oder über Versand/Zustellung ihre Produkte erwerben kann. Denn diese Unternehmen sind es, die unsere Arbeitsplätze hier vor Ort sichern und auch die Steuern zahlen“, appelliert Stollmayer.
Auch will sie die Arbeitgeber im Handel nicht generell schlechtreden. „Die Betriebe, die sich im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten gut um ihre Mitarbeiterinnen kümmern, gibt es auch.“ Besonders positiv stechen für sie jene Firmen hervor, die auch über einen Betriebsrat verfügen.
Dennoch bleibe der Handel gerade in Corona-Zeiten ein hartes Pflaster. Ähnlich wie ihre Kollegin Mosberger spricht auch Stollmayer von einem enormen Druck, der sich aufbaue. „Die psychische Belastung ist für viele der Frauen im Handel enorm“, erzählt Stollmayer. Die Problemlagen sind vielfältig. „Manche Frauen haben bewusst Teilzeit gewählt und müssen jetzt im Supermarkt bis zu 12 Stunden arbeiten, weil sie so eingeteilt werden.“ Kritisch betrachten die Betriebsseelsorgerinnen in diesem Zusammenhang die Debatte um die Sonntagsöffnung vor den Weihnachtsfeiertagen (siehe auch Spalte rechts). Groß ist die Befürchtung, dass es durch eine Ausnahme zu einem Dammbruch kommt und der generellen Sonntagsöffnung Tür und Tor geöffnet wird.
Die Angst vor dem Jobverlust verstärke sich im erneuten Lockdown natürlich. „Die Mitarbeiterinnen sind leicht erpressbar, weil sie befürchten, dass sie gekündigt werden“, betont die Seelsorgerin Martha Stollmayer. „Ein besonders negatives Beispiel war für mich, wie einer Mitarbeiterin, die positiv auf Corona getestet wurde, von der Chefin angeordnet wurde, dass sie ihre Kollginnen nicht als Kontaktpersonen angeben darf.“ Obendrein gebe es immer noch Geschäfte, in denen die gesetzliche Mittagspause nicht eingehalten werde, was aber kein coronaspezifisches Problem sei.
Für Stollmayer ist es jedenfalls eine Farce, dass aus dem oft zitierten Coronatausender als Extrabezahlung für die Handelsangestellten im Prinzip nichts geworden ist. Auch wenn sie daran nichts ändern kann, möchte sie mit ihrer Arbeit zumindest ein Stück die Wertschätzung vermitteln, die die Frauen im Handel oft vermissen. „Wenn ein Geschäft zusperren muss, besorge ich für die betroffenen Frauen ein Abschiedsgeschenk, wie zum Beispiel eine Rose und biete meine Unterstützung an“.«
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