Sie kommen aus der Slowakei, aus Ungarn, Rumänien oder Bulgarien. Sie arbeiten für einige Wochen hier in Österreich und sitzen dann wieder bis zu 20 Stunden im engen Bus, um wenigstens etwas Zeit mit Kindern, Enkelkindern und Freund:innen verbringen zu können. 24-Stunden-Betreuung ist ein Knochenjob.
„Es ist schön, alten Menschen zu helfen“, berichtet eine 24-Stunden-Betreuerin, die derzeit in Vöcklabruck tätig ist. „Alzheimer und Demenz machen viele Menschen böse und aggressiv. Das ist wirklich schwierig. Oft muss ich 20 Mal in der Nacht aufstehen. Wenn die Familie sparen will, gibt es kein Essen für die Pflegerin oder das Zimmer wird nicht geheizt.“
Das ist kein Einzelfall – eine Studie von IG24 (Interessensgemeinschaft der 24h-Betreuer:innen), FORBA und der Universität Wien belegt die prekäre Situation: „Personenbetreuer:innen werden in Österreich wie Arbeitskräfte zweiter Klasse behandelt. Sie werden in Arbeitssituationen gedrängt, in denen sie einem hohen Risiko von Ausbeutung, Überbelastung und Gewalt ausgesetzt sind. Dafür erhalten sie extrem niedrige Honorare und kaum Unterstützung von österreichischen Behörden”, erklärt Flavia Matei von der IG24.
Die meisten der über 60.000 Betreuer:innen arbeiten in Österreich, weil sie hier immer noch besser verdienen als in den Herkunftsländern – auch wenn dort ihre Arbeitskraft fehlt. „Ohne Betreuer:innen mit Migrationshintergrund wäre das Pflegesystem in Österreich nicht aufrechtzuerhalten“, sagt Barbara Wimmer vom Treffpunkt Pflegepersonal. Sie hat selbst als Fachsozialbetreuerin für Altenarbeit gearbeitet und ist regelmäßig mit pflegenden und betreuenden Personen in Kontakt, auch als Betriebsseelsorgerin in Wels.
„Care-Arbeit wird aufs Private verschoben und die Angehörigen müssen selbst schauen, wie sie die Betreuung ihrer alten Eltern organisieren. Ohne 24-Stunden-Betreuer:innen ginge es in vielen Fällen gar nicht.“
Es empört sie, dass es unterschiedliche Standards für die Arbeit gibt: „Wir wissen, dass auch in Heimen und in der mobilen Pflege der Arbeitsdruck hoch und die Bezahlung für diese Leistungen zu gering ist. Aber für die 24-Stunden-Betreuer:innen gelten nicht mal Mindeststandards.“ Die meisten seien selbständig tätig und würden über Agenturen vermittelt. Eine Absicherung im Fall von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Pension sei kaum gegeben.
Dazu kommen der Mangel an Kontakten und die psychische Belastung. „Ich bin die meiste Zeit mit der pflegebedürftigen Person allein. Es ist schwer, wenn man keine Möglichkeit hat, sich auszutauschen“, sagt eine Slowakin, die diese Arbeit schon seit 18 Jahren macht. Eine kirchliche Initiative setzt hier an: In vier Treffpunkten mensch & arbeit werden regelmäßig Betreuer:innencafés angeboten, „weil es sich bei den Betreuer:innen um eine Berufsgruppe handelt, die mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung verdient“, wie die Braunauer Betriebsseelsorgerin Susanne Lew erklärt.
In Vöcklabruck, Braunau, Wels und Steyr wird einmal im Monat zum kostenlosen Treffen bei Kaffee und Kuchen eingeladen. Sprachbarrieren gebe es kaum, weil die Betreuer:innen sehr gut Deutsch sprechen, berichten die Betriebsseelsorgerinnen. Schwieriger sei es eher, dass Betreuer:innen wirklich kommen können, weil sie für die wenigen Stunden Freizeit nicht immer einen Ersatz für die Betreuung des alten Menschen haben.
„Im Café können die Betreuer:innen endlich unbeschwert und lustig sein. Es gibt keine Anforderungen und sie können sich untereinander austauschen“, erzählt Annemarie Stigler, die ehrenamtlich gemeinsam mit Betriebsseelsorgerin Susanne Lew das Betreuer:innencafé in Braunau organisiert. Ihr ist es wichtig, die Betreuer:innen als Menschen wahrzunehmen und nach Beweggründen und der Familie zu Hause zu fragen. Annemarie Stigler wünscht sich mehr Wertschätzung für diese Arbeit: „Was ist das für ein Glück für alte Menschen, eine tüchtige Betreuerin zu haben!“
Das Netzwerk „FAIRsorgen – mehr für CARE-Arbeit“, dem die Betriebsseelsorge angehört, organisierte am „Tag der Pflege“ eine Aktion für politische Verbesserungen. Im Budget 2025/2026 wird das nicht der Fall sein.
„Es soll für die Familien und für die 24-Stunden-Betreuer:innen faire Bedingungen geben“, wünscht sich Barbara Wimmer und appelliert an die Politik, diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit und mehr Geld zukommen zu lassen.
Auch Angehörige könnten viel tun, um bessere Bedingungen zu schaffen, sagt sie: „Die Betreuerin braucht als Rückzugsort einen eigenen Raum. Sie ist die Betreuerin des alten Menschen und nicht die Reinigungskraft. Klar gehört das Kochen und Sauberhalten des umittelbaren Umfelds zur Betreuung dazu – aber nicht, die Wäsche aller Familienmitglieder zu waschen oder im ganzen Haus die Fenster zu putzen.“
Ganz wichtig sei die Möglichkeit, echte Pausen machen zu können. „Und eine gute Internetverbindung, um mittels Handy und Whatsapp Kontakt mit zu Hause halten zu können“, ergänzt Susanne Lew. „Ein einfaches ‚Dankeschön‘ ist für mich eine große Motivation“, sagt eine Betreuerin.
Nächste Betreuerinnencafés
Braunau: 2. 6., 13–15 Uhr
Wels: 2. 6., 13–16 Uhr
Vöcklabruck: 11. 6., 13–15 Uhr
Steyr: 30. 6., 13–15 Uhr
Ort: Treffpunkt mensch & arbeit
Infos: www.mensch-arbeit.at, 0732 7610 3641.
Weitere Termine für Betreuer:innencafés in OÖ: www.curafair.at
Sozialratgeber
Download hier >> oder Sozialratgeber KOSTENLOS bestellen unter office@kirchenzeitung.at oder telefonisch: 0732 / 7610 3944.
Erfahrungen aus dem Alltag mit einem autistischen Jungen >>
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>