REZEPT_
Grundsätzlich sind Selbstgespräche ganz natürlich. Man muss sich keine Gedanken machen, ob jemand „normal“ tickt, wenn er bei bestimmten Tätigkeiten mit sich spricht. „Oft hilft das, die Gedanken und Gefühle zu sortieren. Es ist auch ein Zeichen dafür, dass Menschen gerade sehr konzentriert arbeiten“, meint dazu Psychologe Ralph Lenzenweger.
Ganz unbefangen und ohne Scheu plappern Kinder schon ab dem 2. Lebensjahr vor sich hin, wenn sie alleine spielen. Sie benennen die Gegenstände und ihre Handlungen und bringen so eine Art von Struktur in ihr Tun. Oft hört man „Dialoge“ mit Puppen oder Teddybären, die das Kind beim Spielen personalisiert. „Kinder kommentieren sich und ihre Handlungen aber genauso ohne ein Gegenüber“, sagt Lenzenweger, „Damit sortieren sie ihre Gedanken. Das gibt ihnen Halt.“
Kindliche Selbstgespräche können manchmal auch ein Zeichen für Überlastung sein. „In einer Stresssituation, oder wenn ein Kind etwas nicht verstanden hat, helfen diese Selbstgespräche. So werden die Gefühle verbalisiert, manche Probleme oder Rätsel gelöst und alles leichter verarbeitet.“ Das passiert oft am Abend vor dem Einschlafen.
Was man einmal gehört hat, das merkt man sich leichter. Selbstgespräche haben da eine ähnliche Wirkung wie Lern-CDs. „Wer laut redet ist hoch konzentriert, das steigert die Merkfähigkeit“, erläutert Lenzenweger.
Auch komplexe Abläufe, etwa die genaue Route zu einem Zielpunkt oder die Lösung schwieriger Probleme, brauchen Konzentration. Es geht leichter, wenn man sich den Weg oder die verschiedenen Alternativen zur Problemlösung laut vorsagt.
So selbstverständlich kleine Kinder vor sich hinplappern, genauso schnell hören sie damit auf, wenn sich Schamgefühle einstellen. „Auch das ist mit zunehmendem Alter ganz natürlich. Dazu kommt, dass Kinder von Erwachsenen deshalb zurechtgewiesen werden.“ Selbstgespräche hören deshalb nicht gänzlich auf. Sie werden allerdings nicht mehr laut, sondern innerlich geführt.
Erwachsene, die mit sich selbst reden, sind häufig im Sport anzutreffen. „Da gilt es als Motivationssteigerung. Deshalb sind Selbstgespräche hier auch nicht negativ besetzt und keiner muss sich dafür genieren“, erklärt der Psychologe. Wenn es gerade gut läuft, dann ist ein „Yess!“, unterstützt von einer geballten Faust, eine Bestätigung. Will etwas nicht so gelingen kann ein „Du schaffst das!“ die nötige Leistung abrufen.
Viele Menschen ärgern sich lautstark über andere oder sich selbst. Solange es im Rahmen bleibt, ist auch das nicht bedenklich. „Sich oft und übermäßig selbst schlecht zu machen, kann aber ein Anzeichen von Depression sein“, warnt Lenzenweger.
Bewusste Selbstgespräche haben bei alten Menschen eher einen positiven Effekt und helfen ihnen bei der Bewältigung des Alltags. Allerdings kann es auch auf Einsamkeit hindeuten.
REZEPT_
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>