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Zur Vorstellung von „echter“ Liebe gehört für fast alle Menschen auch die Treue. Das bedeutet aber nicht für jede/n dasselbe. „Manche betrachten das eher als Auslegungssache“, erklärt Irmgard Schürer. Aus ihrer Praxis mit Einzel- und Paarberatungen weiß die Therapeutin: „Treue kann man enger oder weiter abstecken. Darüber sollte man sich unbedingt ganz offen austauschen. Was für den einen ein nettes Gespräch ist, kann für den anderen vielleicht schon ein Flirt und damit eine Grenzüberschreitung sein.“ Aus einer unterschiedlichen Auffassung von Treue entstehen nicht wenige Ehekrisen, manche davon könnten mit gegenseitigen Abmachungen verhindert werden.
Am Beginn einer jeden Beziehung gibt es Unsicherheiten. Zum einen ist da ein liebevoller Vertrauensvorschuss, zum anderen die Unklarheit, wie sich der/die neue Partner/in tatsächlich verhält. Das kann Eifersucht schüren. Wie sehr man den Partner oder die Partnerin mit Regeln an sich bindet, hängt zudem mit dem eigenen Selbstwert zusammen. „Je unsicherer man ist, desto weniger lässt man zu. Es könnte ja was passieren. Eine andere Frau, ein anderer Mann könnten Unruhe in die Beziehung bringen.“ Selbstzweifel sind also auch oft ein Grund für Eifersucht.
„Man könnte sagen, in einer Liebesbeziehung schenkt man sich dem anderen. Aber kein Mensch ‚gehört’ einer anderen Person“, stellt die Expertin klar.Und trotzdem verhalten sich – nicht nur Männer – häufig so, als ob die/der andere nur für ihn/sie da wäre. Damit sind die Freiheiten extrem beschränkt und schon eine harmlose Kleinigkeit kann Eifersucht zur Folge haben. „Das kann sogar dazu führen, dass man trotz aller Liebe diese Enge nicht mehr aushält und versucht, auszubrechen. Männer reagieren in solchen Situationen oft mit körperlicher Gewalt.“
Kleine Geheimnisse können einer stabilen Beziehung nichts anhaben und sind vielleicht sogar reizvoll. Trotzdem ist Offenheit grundsätzlich ein guter Schutz gegen Eifersucht. „Wer Nachrichten auf seinem Handy nur versteckt liest und schreibt, kann damit den Partner schon misstrauisch machen.“ Bei Verdacht auf Untreue rät Irmgard Schürer unbedingt dazu, sich auszusprechen und auch Hilfe zu suchen. Sie hat auch eine Erklärung dafür, warum es zu Untreue kommt: „Es ist die Suche nach etwas Neuem und es hat etwas mit mir zu tun. Ich bin unzufrieden und glaube, dass meine Bedürfnisse bei jemand anderem besser aufgehoben sind.“ Eine Paartherapie gibt die Chance für eine gemeinsame Perspektivenerweiterung. In Anwesenheit eines bzw. einer neutralen Dritten kann man über seinen Standpunkt anders reden. Vielleicht ergibt sich daraus die Möglichkeit, sich gemeinsam auf die Suche nach etwas Neuem zu machen.
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