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Maria Haselgruber begleitet in Linz eine Selbsthilfegruppe, in der sich Menschen mit Zwangsstörungen treffen. „Dass sie zu uns kommen, ist schon ein Riesenerfolg. Denn viele Menschen schämen sich für ihre Zwänge und halten diese, solange es geht, verborgen.“
Wer ab und zu ein zweites Mal kontrolliert, ob das Bügeleisen ausgesteckt oder das Licht abgedreht ist, der braucht sich keine Sorgen machen. „Mit einer gewissen Unsicherheit kann man klarkommen. Die Frage taucht auf, und man kann sie für sich wieder abhaken.
Bei Erkrankten entstehen daraus aber regelrechte Horrorvorstellungen. Sie sehen schon, wie das Haus abbrennt oder gar der Nachbar zu Schaden kommt“, erklärt die Expertin die Grenze zur Störung, die meist fließend verläuft. Aus Sorge, an etwas Schuld zu sein, wird der Drang zur ständigen und wiederholten Kontrolle immer größer. Dabei ist den Menschen bewusst, dass die Handlungen oft absurd und sinnlos sind. Sie können aber nicht anders, weil sie dadurch ihre innere Anspannung für kurze Zeit reduzieren. Bis der Kreislauf von vorne beginnt. „Das ist nicht nur zeitraubend, es schränkt die
Lebensqualität zunehmend ein, nicht selten führt es zu Beziehungsabbrüchen oder Jobverlust“, erzählt Maria Haselgruber.
Für viele seien die Zwangshandlungen aber auch ein gewisser Schutz, weil sie von realen Lebensängsten ablenken und ein vermeintliches Gefühl von Sicherheit und Ordnung vermitteln.
Manchmal sind es Ereignisse, Unfälle oder Traumata, die einen Zwang auslösen. Oft sind es aber auch Wesenszüge, die nach und nach zu Zwangsstörungen führen. Wer etwa ein Übermaß an Verantwortung, an Schuldgefühlen, an Ordnung oder Perfektion in sich trägt, läuft hier eher Gefahr. „Diese im Grunde genommen positiven Eigenschaften können bei einem Zuviel zu Zwangshandlungen führen. Dazu kann verstärkend eine strenge Erziehung oder überbehütete Kindheit kommen“, erklärt Maria Haselgruber mögliche Ursachen von Zwangsstörungen. Oft sind die ersten Fälle in der Pubertät erkennbar, einem Alter, das sowieso von Unsicherheiten geprägt sei, wie die Expertin meint. Die meisten Zwangsstörungen würden vor dem 30. Lebensjahr auftreten, Männer seien etwas häufiger betroffen, „vielleicht deshalb, weil Frauen sich in der Regel häufiger sozial austauschen und über ihre Probleme sprechen, während Männer dazu neigen, diese zu unterdrücken.“
Wissenschaftliche Untersuchungen besagen, dass einem Menschen täglich rund 60.000 Gedanken durch den Kopf gehen. Vieles davon ist absurd und wird auch gleich wieder vergessen. Nicht so bei Zwangsgedanken. Da besteht ein innerer Drang, bestimmte quälende Gedanken immer wieder zu denken. Oft wird dann durch das Ausführen einer Zwangshandlung die damit verbundene Anspannung reduziert.
Zu den bekanntesten Zwangshandlungen zählen ständige Kontrolle, Ordnung, unzählige Wiederholungen sowie Wasch- und Zählzwänge.
„In der Psychotherapie geht es darum, die Zwangsspirale zu durchbrechen. Durch das Anbieten einer verlässlichen und wertschätzenden therapeutischen Beziehung werden die Betroffenen ermutigt, eigene Bedürfnisse, Ängste und innere Konflikte wahrzunehmen und auch ernst zu nehmen. Das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung wird gestärkt, innere Sicherheit zurück- bzw. neu gewonnen. Zwänge können langsam losgelassen werden“, erklärt die Psychotherapeutin ihre Arbeit.
Zwei Drittel der Erkrankten können vielleicht nicht zur Gänze, aber zum Großteil durch eine Therapie ihre Zwänge reduzieren. In bestimmten Fällen werden auch Medikamente, meist Antidepressiva, zur Behandlung eingesetzt.
Zur Sache
Begleitete Selbsthilfegruppe „Leben mit Zwängen“.
Die Teilnahme ist anonym und kostenlos. Es ist keine Anmeldung erforderlich, eine kurze Kontaktaufnahme vorab ist wünschenswert.
Jeden ersten Mittwoch im Monat, 18 bis 20 Uhr, im Gesundheitszentrum der OÖ Gebietskrankenkasse
Wenn Zwänge das Leben einengen.
Information und Diskussion mit Maria Haselgruber,
Anmeldung erbeten.
Gruppenraum EXIT-sozial, Wildbergstraße 10 a, Urfahr;
Donnerstag, 7. März, 10.30–11.30 Uhr
Kontakt.
EXIT-sozial, Wildbergstraße 10 a, 4040 Linz, www.exitsozial.at
Tel. 0732 71 97 19; E-Mail: pszlinz.beratung@exitsozial.at
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