REZEPT_
Ein kurzes „Enschuldigung“ reicht wahrscheinlich, wenn man im Bus unabsichtlich jemanden angerempelt hat. Nach einer echten Kränkung oder Abwertung des Gegenübers ist mehr gefragt. Unabhängig davon, ob der Konflikt zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern oder unter Freund/innen entstanden ist, braucht es eine ernst gemeinte Entschuldigung. „Ein Dialog ist notwendig, man muss darüber reden, was gerade passiert ist, und auf den wunden Punkt schauen“, erklärt Andrea Holzer-Breid. Es ist dabei auch unerheblich, ob man eine Kränkung unbewusst oder mit Absicht geäußert hat. Beides bringt die Beziehung in eine Schieflage zwischen Opfer und Täter/in.
„Wenn man den Konflikt gemeinsam anschaut, bedeutet das, dass man anerkennt, den anderen verletzt oder gekränkt zu haben. Damit ist schon ein großer Schritt getan“, erläutert die Paarberaterin. Eigentlich ist eine ernst gemeinte Entschuldigung das Wahrnehmen der Gefühle des anderen: „Ich sehe und verstehe, was ich dir angetan habe, und es tut mir leid.“ Bei Menschen, die nicht so kommunikativ sind, kann eine Umarmung schon sehr viel bedeuten, oder ein einfaches „Sind wir wieder gut“ – wenn es der andere auch richtig versteht und annehmen kann.
Im familiären Zusammenleben hat jeder seine Gewohnheiten, seinen Rhythmus und seine persönlichen Schmerzgrenzen. Da kann es schon vorkommen, dass einer das Zimmer für ordentlich hält, der andere für ein Chaos. „Wenn der Partner die Schuhe mitten im Vorzimmer stehen lässt und die Kinder die Zahnpasta nicht zumachen, ist das meist nicht persönlich gemeint und soll niemanden kränken. Es bringt wenig, sich da als Opfer zu fühlen und auf Entschuldigungen zu warten, weil man den anderen immer hinterherräumen muss. Die Unterschiedlichkeiten anerkennen, Toleranzgrenzen anheben und manches mit Humor nehmen bringt allen mehr“, weiß Holzer-Breid aus Erfahrung. Denn manche Dinge sind anders auch nicht lösbar.
Ganz anders sieht sie bewusste Kränkungen. Den Partner/Die Partnerin und seine/ihre Probleme klein und lächerlich machen, das darf auf keinen Fall toleriert werden. Im Zweifelsfall rät sie hier zu einer professionellen Hilfe im Rahmen einer Beratung.
Überarbeitung, Müdigkeit und Anspannung verringern ganz allgemein die Selbstkontrolle. Da sind schnell böse Worte gefallen, die man nachher bereut. „Versuchen Sie, rechtzeitig abzubiegen. Wer gestresst nach Hause kommt, sollte sich eine kurze Auszeit nehmen, danach sieht vieles anders aus“, rät die Expertin und nennt dieses bewusste Zurücknehmen „Schmutzschleuse“.
Prinzipiell kann jeder jederzeit aussteigen, wenn man das Gefühl hat, die Situation steht an der Kippe, den anderen zu verletzen. „Als Opfer kann ich die Erwartungen zurückschrauben, als Täter das Gegenüber mit Wertschätzung behandeln.“
Für jungverliebte Paare gibt es noch einen persönlichen Ratschlag: „Geben Sie einander eine Bedienungsanleitung, ein ‚Wie ticke ich‘. Das erspart viele Kränkungen.“
Von Kränkungen und Tiefkühlschränken
Andrea Holzer-Breid ist diplomierte Ehe-, Familien- und Lebensberaterin, Trainerin für Paarkommunikation und Erwachsenenbildnerin. www.beziehungleben.at
Buchtipp: Versuch´s mal mit Entschuldigung. Wie Versöhnung kleine und große Herzschmerzen heilt, Harriet Lerner, Knaur Verlag 2017
REZEPT_
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>