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Würden weltweit alle Menschen so leben wie in Österreich, wäre der „Erdüberlastungstag“ (auch „Welterschöpfungstag“) für das Jahr 2019 schon am 9. April gewesen. Der Aktionstag bezeichnet den Tag des laufenden Jahres, an dem die menschliche Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen das Angebot und die Kapazität der Erde zur Reproduktion übersteigt. Für 2020 wird es wahrscheinlich aufgrund der Corona-Krise eine kleine Verschnaufpause geben. Klar ist aber: Wir leben über unsere Verhältnisse – und nicht nur über unsere, sondern auch über die unserer Kinder und Enkel/innen.
Eine im Katholischen Bildungswerk Traunstein/Bayern geborene Idee will daran etwas ändern. 2018 entstand dort der Kurs „Enkeltauglich Leben“. Teilnehmen können alle, die den Status quo nicht hinnehmen wollen – egal ob sie Enkel haben oder nicht. Ohne erhobenen Zeigefinger, dafür spielerisch und mit viel Spaß, geht es darum, den eigenen Lebensstil zu ändern und voneinander zu lernen. Über sechs monatliche Treffen hinweg spornen sich die Teilnehmer/innen mit Wetten gegenseitig dazu an, bis zum nächsten Mal konkrete Schritte umzusetzen. Das kann das Verfassen eines gerechten Testaments sein, gewissenhaftere Mülltrennung oder die Recherche über fair produzierte Kleidung. Daraus entstehen spannende Aktionen, die zum Nachmachen anregen – knapp 2.000 sind es schon seit dem ersten Spiel. Der Erfolg gibt der Idee Recht: Schnell hat sich der Kurs über Bayern hinaus verbreitet, auch in der Schweiz und in Österreich gibt es Angebote.
Waltraud Dietrich, Unternehmensberaterin und Qualitätsmanagerin aus dem Tiroler Oberland, hat den Kurs 2018 in Innsbruck absolviert, sofort Feuer gefangen und sich im Anschluss selbst in Traunstein als „Spielleiterin“ ausbilden lassen. Die Miemingerin ist begeistert von der Idee: „In der Gruppe ist man einfach anders motiviert. Man weiß, in vier Wochen muss ich von meinen Plänen und Ergebnissen erzählen.“
Die Aktionen werden untereinander bewertet, was für zusätzlichen Ansporn sorgt. Schwerpunkte sind ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Demokratie und Menschenwürde. Die Teilnehmer/innen betrachten sich selbst und ihren Einflussbereich dabei aus verschiedenen Blickwinkeln: etwa als Familienmitglied, im Arbeitsumfeld, in Bezug auf das Konsumverhalten oder im regionalen und gesamtgesellschaftlichen Kontext. „Wichtig ist immer, ins Tun zu kommen“, so Waltraud Dietrich. „Wir diskutieren gern und viel, aber letztendlich soll ein greifbares Ergebnis herauskommen – gemäß der Überzeugung: Wenn viele Menschen an vielen Orten viele kleine Dinge ändern, können sie die Welt verändern. Damit wir eine lebenswerte Welt hinterlassen.“ Und der Erdüberlastungstag nächstes Jahr nicht wieder ein paar Tage früher im Kalender steht.
Weitere Informationen & Kurstermine (auch Online-Kurse): www.enkeltauglich-leben.org
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