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Zu einem guten Leben gehört, sich immer wieder die Zeit zu nehmen, zur Ruhe zu kommen. Das fällt oft nicht leicht. Doch es ist ganz einfach, den Weg nach innen und zu sich selbst zu finden: mit dem eigenen Atem.
„Gib dich deinem Atem hin, er führt dich zu deiner Mitte und öffnet dich für deine Mitwelt“, sagt Wibke Mullur. Die ausgebildete Atempädagogin aus Telfs arbeitet seit Jahren mit Menschen, die sich in einer atemlosen Zeit wieder auf sich selbst besinnen und etwas für ihre eigene Gesundheit tun möchten, aber auch mit Menschen, die an Lungenerkrankungen, wie zum Beispiel der chronischen Lungenkrankheit COPD, leiden. Dabei geht es nicht um eine Atemtechnik, sondern um die Förderung des natürlichen Atemflusses. Wibke Mullur hat dafür ein besonderes Bild: Der Atem ist wie ein treuer Freund. „Er begleitet uns vom Beginn bis zum Ende des Lebens und spiegelt in jedem Moment unsere momentane Befindlichkeit“, sagt die Atempädagogin und erklärt, wie sich dieser Freund verhalten kann: Manchmal zeigt er sich sehr lebendig, dann wieder hält er sich leise im Hintergrund. Wer sich körperlich und emotional gebeugt fühlt, kann sich von ihm aufrichten lassen. Wer sich schwach und energielos fühlt, kann durch ihn Stärke gewinnen.
Um bewusst atmen zu können, ist es wichtig, den eigenen Körper zu spüren. Dabei spielt unter anderem der sogenannte „untere Atemraum“ eine Rolle. Atemübungen, die das Bewusstsein auf Füße, Beine und Becken richten, stärken das Gefühl der Sicherheit und Standfestigkeit. Wibke Mullur empfiehlt dafür die einfache Übung „Der Boden schmiegt sich an“ aus dem Buch des Atempädagogen Norbert Faller*:
Setzen Sie sich aufrecht auf das vordere Drittel der Sitzfläche eines Hockers oder Sessels. Halten Sie Becken, Brustkorb und Kopf in einer Linie. Schließen Sie die Augen oder richten Sie den Blick auf einen Punkt auf dem Boden. Nehmen Sie einen Moment lang folgendes Bild auf: Der Boden schmiegt sich an die Fußsohlen an. Sie müssen nichts leisten, nichts tun. Der Boden arbeitet für Sie, er trägt Sie. Spüren Sie dem Gedanken nach: „Was macht das mit mir?“ – Nehmen Sie ein weiteres Bild auf: Der Hocker schmiegt sich an Ihr Becken, an Ihren Beckenboden an. Wieder brauchen Sie nichts leisten, nichts tun. Der Hocker arbeitet für Sie, er trägt Sie. Als drittes und letztes Bild: Der Boden schmiegt sich an Ihre Fußsohlen und der Hocker schmiegt sich an Ihr Becken an. „Der Atem wird ruhiger und breitet sich im Bauch und Becken aus“, sagt Wibke Mullur.
Eine einfache Form dieser Übung funktioniert auch in Alltagssituationen. Wer zum Beispiel angespannt an der Supermarktkassa wartet, kann unauffällig abwechselnd das rechte und das linke Bein belasten und so die eigene Aufmerksamkeit auf den tragenden Boden richten. „Der Atem folgt der Aufmerksamkeit, weg von belastenden Gedanken“, sagt Wibke Mullur.
Ein Aspekt des bewussten Atems ist der Atempädagogin besonders wichtig: das Ausatmen. Bewusstes Ausatmen bedeutet, loslassen zu können, in welchen Situationen auch immer: „Ausatmen stärkt das Vertrauen ins Leben.“
* Buchtipp: Norbert Faller, Atem und Bewegung, Springer Verlag.
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