Wort zum Sonntag
Er selbst würde wohl nicht von Leistung sprechen. Für ihn, der derzeit österreichweit auf Einladung der Päpstlichen Missionswerke „Missio“ seine Geschichte erzählt, geht die Tatsache, einen Terrorangriff überlebt und 557 Tage Gefangenschaft heil überstanden zu haben, auf die Kraft des Gebetes zurück. Und auch hier meint er nicht nur seine eigenen Gebete, sondern die Gebete jener, die während der Entführung weltweit für ihn gesprochen wurden, von Christen, aber in seiner Heimat Indien auch von Hindus und Muslimen.
Der heute 61-Jährige wurde 1990 zum Priester geweiht und war für seinen Orden zunächst in seiner Heimat Indien tätig. 2010 ging sein Wunsch in Erfüllung: Er wurde in den Jemen geschickt, um die christliche Migrantenbevölkerung und eine Gruppe von Schwestern aus dem Orden von Mutter Teresa geistlich zu betreuen. Obwohl sich die Sicherheitslage in dem Bürgerkriegsland in Folge einer saudischen Offensive 2015 verschlechterte, kehrte er freiwillig und trotz gefährdeter Gesundheit nach einem Heimataufenthalt in den Jemen zurück und war in Aden tätig.
Dort überfiel eine Terrorgruppe am 4. März 2016 ein Alten- und Pflegeheim der Mutter-Teresa-Schwestern. Er hörte, wie vier der fünf Schwestern erschossen wurden. Erst viel später erfuhr er, dass eine Schwester überlebt hatte. Aber alle zwölf muslimischen Angestellten wurden erschossen. „Ich selbst war nicht als Priester gekleidet. Die Männer fragten mich, ob ich Muslim sei. Ich antwortete: Ich bin Christ. Als sie mich nach draußen brachten, betete ich, denn ich dachte, nun sei es an mir zu sterben“, erzählt der frühere Telekommunikations-Techniker.
Doch er wurde stattdessen in einen Kofferraum gelegt und entführt, wobei die Entführer auch den Tabernakel der Altenheimkapelle neben ihn stellten. Zunächst wurde Pater Tom verhört, wobei auch herauskam, dass er Priester ist. Er wurde für Video-Botschaften der Entführer eingesetzt. „Ich las vor, was ich sagen sollte. Meine Worte waren das nicht“, sagt er heute. Mehrmals wurde er auch in neue Unterkünfte gebracht, aber stets blieben seine Augen verhüllt. „Ich muss in verschiedenen Wohnhäusern gefangengehalten worden sein: Ich hörte Stimmen, auch von Frauen und Kindern“, berichtet der Salesianer.
Es begann eine einsame Zeit, denn die Entführer konnten kein Englisch, er aber kein Arabisch. Während er selbst auch im Ramadan mit Essen versorgt wurde und auch Medikamente bekam, war er geistig sich selbst überlassen. „Ich habe viel gebetet, auch für meine Entführer“, erzählt er heute. Da ihm weder Brot noch Wein zur Verfügung standen, habe er die Messe im Geiste gefeiert. Die Entführer folterten ihn nicht und versuchten auch nicht, ihn zum Muslim zu machen: „Vielleicht nahmen sie an, dass das sinnlos wäre“, sagt Pater Tom.
Wie es dazu kam, dass er am 12. September 2017 im Oman freigelassen wurde, weiß er nicht, aber er sagt: „Dass ich heute da bin, ist ein Zeichen, dass unser Gott ein lebendiger Gott ist, der Gebete erhört. Ich war in der Lage, meinen Entführern zu vergeben und für sie zu beten. Vergebung ist die beste Medizin und das Gebet ist die mächtigste Waffe – sie begegnet dem Feind mit Liebe, wie es Jesus tat.“ Für Pater Tom Uzhunnalil hat dies alles auch eine weitere Seite: „Indem der Herr mich gerettet hat, wollte er, dass ich mein Zeugnis ablege. Das ist meine Mission. Aber jeder hat eine Mission, jeder Mensch.“ Das könne sehr verschieden sein. „Aber immer ist es eine Mission der Menschlichkeit gegenüber unseren Brüdern und Schwestern.“
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