Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
Wer glaubt, dass die 90-jährige „Thominger“ Organistin nur mehr von dem musikalischen Repertoire zehrt, das sie sich in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut hat, täuscht sich gewaltig. „Wann immer sie ein Lied hört, das ihr gefällt, setzt sie alles daran, dass sie die Noten bekommt. Und sie lässt da auch nicht locker“, erzählen ihre Nichten Brigitte Dungl und Maria Ebenhofer schmunzelnd: „Dann muss man im Internet recherchieren oder schon einmal beim Hörerservice von Radio Maria anrufen.“ Dem kann Pfarrer Johann Fehrerhofer nur zustimmen: „Ich bin jetzt das 14. Jahr da und fast jede Woche höre ich ein neues Lied.“ Die „Lini“ – wie man Karoline Ebenhofer in St. Thomas nennt – wird nicht müde, ihren Beitrag zu leisten, dass der Gottesdienst die Menschen anspricht.
Mit elf Jahren ist sie das erste Mal an der Orgel gesessen. Am 18. Oktober 1944 hat sie bei den Sonntagsgottesdiensten gespielt und nachmittags bei der Segensandacht. Das Datum weiß sie aus der Pfarrchronik, aber was ihr Orgellehrer nach dem Segen gesagt hat, an das erinnert sie sich noch ganz genau: „Manchmal hast ein bisserl g’schwindelt. Er hat das später auch noch öfter gesagt.“ Das Organistenamt hat sie von ihrem Bruder Eugen, der einige Jahre älter war und seit 1942 orgelte, übernommen. Kriegs- und berufsbedingt ging die Aufgabe dann auf die Schwester über. So ist es geblieben – seit 79 Jahren. „Ich wüsste nicht, dass ich einmal nicht georgelt hätte“, sagt Lini Ebenhofer. Vorsichtig gerechnet kommt man auf unglaubliche 35.000 Dienste. Als „unverwüstlich“ bezeichnet sie Pfarrer Fehrerhofer. Das können die beiden Nichten nur bestätigen: „In der ganzen Wohnung findet sich kein einziges Medikament.“ Auch den steilen Weg von ihrem Haus, in dem Ebenhofer allein lebt, zur Kirche bewältigt sie mit ihren 90 Jahren, ohne dass sie nur im geringsten außer Atem kommt.
Wenn „Lini“ die Jahrzehnte so Revue passieren lässt, fällt ihr die Zeit ein, in der die Orgel noch mittels Blasbalg betrieben wurde. Zwei Ministranten waren jeweils dafür abgestellt. Die machten sich manchmal einen Spaß und haben zu spät gepumpt, sodass die Orgel kurz verstummte. Das hat die Organistin so geärgert, dass sie den damaligen Pfarrer Franz Ammerstorfer gebeten hat, einen Motor für die Orgel zu kaufen. Der hat abgewinkt: „Die Pfarre hat kein Geld.“ Da nahm die „Lini“ die Sache selbst in die Hand und ging von Haus zu Haus sammeln. Es dauerte nicht lange und die Orgel von St. Thomas war motorbetrieben. „Der Herrgott hat es verabsäumt, die Lini als Führungskraft einzusetzen“, meinen die Nichten.
Die beiden Geschwister Eugen und Lini Ebenhofer waren nicht unvorbereitet Organisten geworden. Sie hatten Musikunterricht bei einem pensionierten Wiener Beamten, der nach St. Thomas gezogen war. Bei ihm habe sie die Grundbegriffe gelernt, später habe sie keine Orgelstunden mehr genommen, erzählt Lini. Sie hat sich aber stets weiter entwickelt. Eine wichtige Rolle spielte dabei der sehr musikalische Pfarrer Josef Hinterleitner, der von 1963 bis 2019 in St. Thomas wirkte. Er nannte Lini Ebenhofer ein „Naturtalent“ und hat mit ihr gemeinsam die Kirchenmusik in der Pfarre geprägt. Er hat selbst Chorsätze geschrieben und leitete den Kirchenchor. Er konnte aber bloß die Proben abhalten. Bei den Gottesdiensten war der Chor auf sich selbst gestellt.
Lini Ebenhofer war aber nicht nur Organistin, sondern zusätzlich Mesnerin und vieles mehr. Für das Schneeschaufeln war sie ebenfalls zuständig. Wer die lange Stiege zur Kirche in St. Thomas kennt, bekommt Respekt vor der Kraft dieser zart gebauten Frau.
Sie führte Pfarrer Hinterleitner auch den Haushalt. Organistin und Haushälterin unter einen Hut zu bringen, bildete an Sonntagen oft eine Herausforderung. So hat Lini bei der zweiten Messe nach dem Evangelium die Orgelbank verlassen, ist in den Pfarrhof gelaufen, um im Ofen Holz nachzulegen und den Braten aufzugießen. Der Pfarrer warf gegen Ende seiner Predigt deshalb stets einen Blick zur Orgel, um sicher zu sein, dass die Haushälterin wieder zurück war. Hin und wieder kam es doch vor, dass die Handgriffe in der Küche länger dauerten. Da musste er dann seine Predigt künstlich verlängern, wird in St. Thomas gerne erzählt.
Bei einer 90-jährigen ist die Frage, wie lang sie ihren Dienst noch weiterführen wird, erlaubt: „Mich g’freuts noch immer.“ Sie orgelt mit derselben Begeisterung wie eh und je. Aber sie hat ein Sicherheitsnetz eingezogen. Ihre beiden Nichten und den Herrn Pfarrer hat sie beauftragt, ihr ehrlich zu sagen, wenn es nicht mehr „passt“. „Dann höre ich sofort auf.“ Aber bislang ist davon nichts zu spüren, dass es nicht passen würde, und so leistet sie mit Freude weiter ihren Beitrag zu den Messfeiern.
Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
Turmeremitin Birgit Kubik berichtet über ihre Woche in der Türmerstube hoch oben im Mariendom Linz >>
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