Wort zum Sonntag
Mirjam stirbt auf der Wanderung in das Gelobte Land in Kadesch (Buch Numeri Kapitel 20). Und ab diesem Zeitpunkt geht schief, was schiefgehen kann: Schon im nächsten Vers wird berichtet, dass sich die Gemeinde gegen Mose und Aaron, ihre Brüder, zusammenrottet und mit ihnen streitet.
Im Vers 11 schlägt Mose, entgegen Gottes Gebot, mit dem Stab gegen den Stein. Warum er das tut? Wahrscheinlich, weil es schon einmal funktioniert hat. Und wir Menschen greifen ja gerne auf Erfahrungen zurück: „Das ist so üblich. Das machen wir immer so.“ Darüber stolpert Mose. Er stolpert über seine Erfahrung und hat nicht mehr am Schirm, dass Gott jetzt etwas anderes will. Die Antwort Gottes ist hart: Ihr beide (du und Aaron) werdet nicht in das Gelobte Land kommen, denn eure Erfahrung ist euch wichtiger als das, was Gott jetzt von euch Neues will. Diese Botschaft ist für uns besonders aktuell.
Das Nächste, was schiefgeht, ist die Bitte des Mose an den moabitischen König, er möge die Israeliten auf der Flucht durch sein Land ziehen lassen. Dieser verneint (Numeri 20,18). Und als nächstes stirbt Aaron (Vers 28). Im Kapitel 21 wird uns geschildert, dass die Israeliten gegen Mose murren: Warum habt ihr uns aus Ägypten herausgeführt!
Warum schildert der Erzähler, dass nach Mirjams Tod alles schiefgeht? Möchte er uns sagen, wie wichtig diese Prophetin für das Volk war? Sie steht für die Prophetie, Mose für die Tora, Aaron für das Priestertum. Sie steht also für das Gespür des Menschen für das, was dran ist, was Gott von uns will. Sie steht nicht für die Tradition. Wir im 21. Jahrhundert verstehen unter einem Propheten einen Voraussager. Die Propheten und Prophetinnen der Bibel aber sind Menschen, die Gottes Willen für die Gegenwart verkünden. Dies hat zwar Auswirkungen auf die Zukunft, gehandelt werden muss aber in der Gegenwart.
Wie wichtig Mirjam für das Volk war, wird bei ihrer schweren Krankheit deutlich. Sie lehnt sich gemeinsam mit ihrem Bruder Aaron gegen Mose auf. Ihre Meinung ist: Auch sie beide bekommen Gottes Wort vermittelt, nicht nur Mose. Sie lehnen sich also gegen die Hierarchie des Mose auf (Numeri 12). Auf uns übertragen: Nicht nur der Pfarrer oder Bischof weiß um Gottes Willen, sondern jeder und jede, die zum Volk Gottes gehören. Der Schreiber schildert daraufhin die Bestrafung: Mirjam bekommt Aussatz. Ihr Bruder Aaron nicht. Wahrscheinlich, weil er ein Mann ist und aufbegehrende Frauen ein gefährliches Übel darstellten. Ist der Verfasser ein Vertreter der Hierarchie und findet es schlimm, wenn diese Konkurrenz bekommt? Die folgende Schilderung verwirrt: Im Vers 12,15 wird uns berichtet, dass das Volk nicht weiterzieht, weil Mirjam aus dem Lager der Israeliten wegen ihrer Krankheit ausgesperrt worden ist. Erst nachdem sie nach sieben Tagen wieder in das Lager aufgenommen wird, zieht das Volk mit Mose weiter. Auf welcher Seite steht nun der Schreiber?
Die Texte sind typisch für Frauen im Alten Testament: Es wird wenig von ihnen berichtet, mit der Lupe muss man die Texte betrachten. Dann aber stellen wir fest, welches Gewicht sie hatten. Als Beispiel dafür seien auch die Hebammen genannt, von denen ab Exodus 1,15 erzählt wird. Sie befolgen die Vorschriften des mächtigen männlichen Königs nicht, die hebräischen Knaben bei der Geburt sterben zu lassen. Der Verfasser nennt sie sogar mit Namen und sagt uns damit: schaut auf diese Personen, diese Mutigen. Wieder nur ein paar Zeilen, aber sie sind von großer Bedeutung.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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