Elisabeth Wertz ist Religionslehrerin und Pastoralassistentin im Südburgenland (derzeit in Elternkarenz).
Jede Schwangerschaft, aber auch jedes große Werk des Friedens, fordert Geduld. Das Evangelium des zweiten Adventsonntags stellt mit Johannes dem Täufer die Figur eines großen Zeugen ins Zentrum (Matthäus 3,1–12). Er ruft zur radikalen Umkehr auf, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: „radikal“ kommt von lateinisch „radix“, was „Wurzel“ bedeutet. Der Ruf Johannes des Täufers betrifft die Wurzel des Lebens und Glaubens.
In einer Schwangerschaft wird so manches, was zuvor wichtig war, zur Nebensächlichkeit. Das Neue, das sich ankündigt, stellt vieles in den Schatten. Der Fokus spitzt sich auf das Wesentliche zu. Für eine Schwangere ist klar: Angesichts des Kommenden geht es um eine radikale Wende. Und bis das Neue da ist, herrscht ein krisenhafter Zustand. „Guter Hoffnung zu sein“, wie die Alten sagten, bewegt sich auf der Schwelle zwischen Leben und Tod – allen medizinischen Absicherungen zum Trotz.
Im Glauben, im Hoffen und in der Erwartung eines Kindes bedarf es deshalb des Beistands. Nicht von ungefähr meditiert der „freudenreiche Rosenkranz“, der im Advent besondere Beheimatung hat, nach der Geistempfängnis Marias Gang zu Elisabeth. „Heimsuchung“ wird diese intime Begegnung der beiden Schwangeren im Volksmund genannt. Und noch heute ist das „Heimsuchen“ von „frischgebackenen“ Müttern in ländlichen Gebieten ein beliebter Brauch.
Das Wort des Glaubens und der Hoffnung teilt sich mit und vermag „nicht ohne die anderen“ zu sein, wie der französische Jesuit Michel de Certeau sagen würde. Glaube und Hoffnung geschieht nicht zwischen einem vom Rest der Welt isolierten Ich und einem göttlichen Du. Glaube ist immer auf irgendeine Art in eine Gemeinschaft eingebunden, die durch ihr Zeugnis den Glauben eröffnet, für den Glauben „den Weg bereitet“ (Matthäus 3,3) und in ihn hineinwachsen hilft.
Glaube braucht einen „Dritten“, der mein Wort als glaubwürdig anerkennt, der mir mein Wort auf andere Weise zurückspielt und mir so vielleicht erst seinen Sinn erschließt; der mich korrigiert und mir wahrnehmen und unterscheiden hilft, ob es tatsächlich der andere oder doch nur das eigene Ich ist, das da zu mir spricht. Die Sprache des Glaubens, so meint jedenfalls de Certeau, ist insofern von einer Schwäche gekennzeichnet. Dies ist jedoch nicht in einem rein negativen Sinne zu verstehen.
Wer glaubt, ist insofern „schwach“, weil er oder sie es wagt, sich für andere berührbar und verletzbar zu machen; weil er das Wagnis eingeht, dem anderen zu trauen, sich ihm anzuvertrauen und sich nicht in sich selbst abzuschließen. Gerade daraus lässt sich aber wiederum enorme Kraft gewinnen.
Eine Schwangere, die den Glauben und die Hoffnung auf den anderen im wahrsten Sinne des Wortes verkörpert, steht in ebendieser Ambivalenz. Die gesteigerte Verletzlichkeit einerseits, die sie auf die Hilfe, den Schutz und das mutmachende Zeugnis anderer angewiesen sein lässt. Und die beinahe schon übermenschliche Kraft andererseits, die im Vertrauen auf den anderen neues Leben zu gebären vermag.
Die Theologin Isabella Bruckner vergleicht den Advent mit einer Schwangerschaft auf Weihnachten hin. „Denn es ist uns ein Kind geboren“, zitiert Georg Friedrich Händels Oratorium „Der Messias“ eine Verheißung des Propheten Jesaja und bezieht sie auf Jesus Christus. Doch jeder Geburt geht eine Schwangerschaft voraus ...

Elisabeth Wertz ist Religionslehrerin und Pastoralassistentin im Südburgenland (derzeit in Elternkarenz).

Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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