Wort zum Sonntag
„Und führe uns nicht in Versuchung.“ Mit diesem Satz endet nach Lukas das ursprüngliche Vaterunser (Lukas 11,4), den Nachsatz „sondern erlöse uns von dem Bösen“ hat erst der Evangelist Matthäus angefügt
(Matthäus 6,13).
Der originale Schluss ist in den letzten Jahren in Kritik geraten, selbst Papst Franziskus äußerte Bedenken. Man solle lieber beten: „Und führe uns in der Versuchung“. Wirklich wasserdicht ist dieser Vorschlag nicht, denn es ist zweimal ausdrücklich von der Richtung hin zu (griechisch „eis“) die Rede, nicht von einem Wo (griechisch „en“).
Das gefühlte Problem hat vor allem damit zu tun, dass die deutsche Übersetzung mit „Versuchung“ unzählige Möglichkeiten zu Verführung und Sünde aufreizt, und das alles kann wohl nichts mit Gott zu tun haben.
Diesbezüglich stellt das Neue Testament klar: „Niemand der (oder die) versucht wird, sage: Ich werde von Gott versucht, ... er selbst (Gott) versucht niemanden, jede:r wird von der eigenen Begierde versucht“ (Jakobusbrief 1,13f), doch ist im Griechischen an all diesen Stellen ziemlich unaufgeregt von einer „Prüfung“ (peirasmós) die Rede, von jenem Begriff, der auch in Forschung und Experimenten eine Rolle spielt.
Dabei kann ein Psalm in Bedrängnis noch dankbar an die göttliche Prüfung erinnern: „Herr, du hast mich geprüft (griechisch: dokimázō) und kennst mich“ (Psalm 139,1), um gegen das vorschnelle und ungerechte Urteil der Mitmenschen angehen zu können. Doch im Vaterunser geht es eher darum, einzubekennen, dass wir nicht von uns aus die Beziehung zum Abba aufrechterhalten können, sondern immer auf sein zuvorkommendes Gegenüber angewiesen sind.
Das gilt besonders im Umgang mit dem Bösen. Dass Gott das Böse überhaupt zulassen kann, will uns nicht in den Kopf und schon gar nicht ins Herz. Dennoch kann der Teufel nicht der alleinige oder Hauptverursacher unserer Probleme sein, sonst müsste sich die einschlägige Bitte ja eigentlich an ihn richten. Von Matthäus her bleibt offen, ob das oder der Böse gemeint ist, von dem wir erlöst oder gerettet werden möchten. Wir vertrauen jedenfalls darauf, dass Gott letztlich auch das Böse „im Griff“ hat und dunkle Seiten in ihm immer noch menschenfreundlicher sind als ein zweiter böser Gott.
Der Abba Jesu hat mit unserem Über-Ich nichts gemein. Abba, der Vater, will das Heil aller Menschen (1. Timotheusbrief 2,4). Es war also höchst übergriffig von Kaiser Justinian Mitte des 6. Jahrhunderts, mit der Hölle einen Ort zu definieren, von dem er Gott in alle Ewigkeit ausschloss. Wir haben ihm das lange genug abgenommen.
Aber eine ewige Hölle und ein Gott, der zuletzt „alles in allem ist“ (1. Korintherbrief 15,28), das geht nicht wirklich zusammen. Vertrauen ist gefragt, nicht Angstmacherei.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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