Wort zum Sonntag
„Nächste Woche komme ich ihn holen, soviel ist fix!“, scherzt Sabine Kriz-Römer gegenüber Abt Reinhold Dessl. Zum letzten Mal besucht sie ihren Ehemann Andreas Kriz-Römer im Zisterzienserstift Wilhering, bevor sein sechsmonatiges „Ordensjahr“ zu Ende geht. Als er sich entschied, für ein halbes Jahr ins Kloster zu gehen, fragten ihn die meisten Leute in seinem Bekanntenkreis, ob er denn eine Ehekrise oder psychische Probleme hätte, erzählt Andreas Kriz-Römer. Seine Frau aber trug die Entscheidung mit. „Wenn ich nicht so eine super Beziehung zu meiner Frau hätte, hätte ich es nicht gemacht“, ist er sich sicher, psychisch gesund ist er auch. Wie er auf die Idee des Ordensjahres gekommen ist, begründet er mit seiner persönlichen Lebensgeschichte.
Als Kind wurde Kriz-Römer evangelisch getauft, mit Gott beschäftigte er sich aber nie. „Vieles veränderte sich dann mit dem Tod meiner ersten Frau.“ Als sie vor acht Jahren an Krebs starb, waren die Kinder 13 und 14 Jahre alt. „Ich musste erst lernen, Papa zu sein. Das war ich vorher nicht wirklich, auch wenn ich meine Kinder geliebt habe.“ Der Beruf war dem Verfahrenstechniker und Baustoff-entwickler am wichtigsten, er war viel unterwegs. Als seine Frau starb, war er nicht zuhause. Nach dem Begräbnis war er verzweifelt und sprach auf der Heimfahrt in Gedanken mit seiner Frau: „Du lässt mich hier einfach allein mit den beiden Kindern, und ich weiß gar nicht, wie es weitergehen soll!“ Zwei Minuten nach seiner Ankunft zuhause läutete ein älterer Mann aus der Nachbarschaft an der Tür und fragte, wie er ihm nun beistehen könne. Seine Frau und er könnten für die Kinder da sein, wenn sie aus der Schule kämen, und Essen für sie machen. „Ich konnte mir nach diesem Erlebnis nicht vorstellen, dass es reiner Zufall war, und begann, über Gott nachzudenken.“
Schließlich entschied sich Andreas Kriz-Römer, seinen früher geliebten Job an den Nagel zu hängen und etwas Neues zu machen, was ihm wirklich wichtig war. Er begann eine Krankenpflegeausbildung. Dabei lernte er seine heutige Frau kennen, die ihn zu einem Bibelkreis einlud. Gemeinsam fanden sie eine Heimat bei den Minoriten in Neunkirchen. „So bin ich in den Glauben reingewachsen.“ Er begann, ehrenamtlich im Hospizdienst der Caritas auf einer Palliativstation und im Pflegeheim mitzuarbeiten. „Ich erlebe dort nur wenige Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind, wenn sie sterben. Die meisten sagen, es wären ihnen die falschen Dinge wichtig gewesen.“ Kriz-Römer selbst trägt eine Erbkrankheit in sich, durch die er mittlerweile in Berufsunfähigkeitspension gehen musste. „Das ist ein Handicap, aber es bietet mir auch Möglichkeiten.“ Da die Krankheit noch nicht fortgeschritten ist, kann er sich ehrenamtlich engagieren – und sechs Monate in einen Orden gehen. „Ich merkte, dass Gott noch nicht in meiner Mitte angekommen war und wollte mich intensiver auf die Suche machen.“
Stift Wilhering ist inzwischen sein zweites Zuhause geworden. Stille auszuhalten war am Anfang nicht leicht für ihn. „Die festen Gebetszeiten finde ich sehr positiv, sie geben mir Struktur.“ Auch zuhause möchte er ein- bis zweimal am Tag Stundengebet halten, nimmt er sich vor. Die Verbindung zu den Zisterziensern will er pflegen und einmal pro Monat ein längeres Wochenende mit den Mönchen verbringen. In Wilhering wird der engagierte 54-Jährige bereits eine Lücke hinterlassen, denn er hat sich mit Begeisterung um Stiftsführungen durch Kirche, Bibliothek und Museum gekümmert. Das Ordensjahr erlebt Abt Reinhold Dessl als gegenseitige Bereicherung. „Die Leute bringen Leben in die Gemeinschaft herein und nehmen etwas von unserem Spirit mit.“
Von Pater Prior Johannes Müll-eder bekam der „Gastmönch“ sogar Noviziatsunterricht. „Das ging von Gesang über Latein und den heiligen Benedikt bis zum Bibelstudium mit Pater Meinrad.“ Außerdem habe er Demut gelernt, fasst Andreas Kriz-Römer zusammen: „Man muss sich im Zusammenleben anpassen, egal ob in der Familie oder im Kloster.“ Einen wichtigen Satz des Zisterzienserheiligen Bernhard von Clairvaux nimmt er sich mit: „Du musst nicht über Meere reisen, musst keine Wolken durchstoßen und nicht die Alpen überqueren. Der Weg, der dir gezeigt wird, ist nicht weit. Du musst deinem Gott nur bis zu dir selbst entgegengehen.“ Eigentlich, meint Kriz-Römer lächelnd, heißt das, dass man gar nicht im Kloster sein muss. „Du musst nur die Tür öffnen, da wo du bist.“
Dass Andreas Kriz-Römer sich für die Zeit im Orden entschieden hat, sorgte unter Freunden und Verwandten für Gesprächsstoff. Seine Mutter sei besorgt gewesen, ob er in eine Sekte ginge. Inzwischen habe sie jedoch verstanden und in einem Telefongespräch von sich aus gemeint: „Ich hoffe, du betest für mich!“ Das freute ihn ebenso wie das „Highlight“, dass seine Tochter sich als junge Erwachsene taufen ließ. Mit seinem unkonventionellen Schritt brachte Andreas Kriz-Römer etwas in Bewegung. Trotz allem Abschiedsschmerz vom Kloster zählt er nun die letzten Tage, bis seine Frau ihn wieder „holen kommt“.
Infos zum Freiwilligen Ordensjahr: www.ordensjahr.at
875 Jahre Stift Wilhering
Im Jubiläumsjahr bekam das Stift Wilhering mit Till Alexander Körber einen neuen Stiftskapellmeister. (Die KirchenZeitung berichtete in Nr. 21/2021). Im September beginnen nun die Feierlichkeiten zum Jubiläum „875 Jahre Stift Wilhering“. Als Gründungstag des Klosters Wilhering gilt der 30. September 1146.
Am 5. September, dem Schutzengelsonntag, gibt es einen Festgottesdienst um 10 Uhr und eine Schutzengelandacht mit Prozession um 14 Uhr. Festprediger ist P. Martin Werlen OSB. Am Donnerstag, 30. September, dem Gründungstag, wird ein Festgottesdienst mit Abt Philipp Helm (OCist) und Mitbrüdern aus Rein, Hohenfurth und Engelszell gefeiert. Der Gottesdienst beginnt um 10 Uhr. Bischof Manfred Scheuer kommt am Sonntag, 7. November in das Stift Wilhering und wird dort mit Vertreter/innen der Öffentlichkeit um 14 Uhr feiern. Noch bis 26. September lädt das Stift zudem zum gemeinsamen Erlebnis von „Kunst, Musik und Gebet“ ein: Jeweils sonntags ab 14.15 Uhr gibt es eine Führung im Stiftsmuseum, eine Orgelmeditation und danach die Möglichkeit zur Teilnahme an der Vesper.
Infos: www.stiftwilhering.at
Wie fast alle Klostergründungen des Mittelalters verdankt auch Wilhering sein Entstehen der Stiftung durch eine reiche Adelsfamilie. Im Falle Wilhering waren es die „Herren von Wilhering“. Seit dem Ende des 11. Jahrhunderts leiteten sie die Rodungen im Gebiet nördlich der Donau. Als die Familie um 1145 ihren Wohnsitz auf die von ihr neu erbaute Burg Waxenberg verlegte, stellte sie die aufgelassene Burg Wilhering und das zugehörige Land im Donautal dem steirischen Zisterzienserkloster Rein für eine Tochtergründung zur Verfügung. Als eigentliche Stifter kann man die beiden jungen Ritter Ulrich und Kolo bezeichnen, die mit der Gründung des Klosters einen lang gehegten Wunsch ihres Vaters erfüllten. Als Gründungstag des Klosters Wilhering gilt der 30. September 1146. An diesem Tag sollen zwölf Mönche aus dem Kloster Rein mit ihrem neu bestellten Abt in Wilhering eingetroffen sein. Der Gründung folgten Jahre mit Schwierigkeiten und Krisen. Nach nicht einmal 40 Jahren zeichnete sich das Ende des Klosters ab: Von 12 Mönchen waren nur mehr zwei in Wilhering. 1185 wurde das Kloster neu besiedelt. Die Ebracher Mönche begannen im Jahr 1195 mit dem Bau einer Kirche, die in späteren Jahrhunderten immer wieder umgebaut wurde. In der Reformationszeit war das Ende des Klosters wieder einmal bedrohlich nahe: Der damalige Abt nahm die Klosterkasse an sich und floh damit nach Nürnberg, wo er sich verheiratete. 1585 war dann das Kloster gänzlich verlassen. Aber im Zuge der Gegenreformation setzte der Kaiser wieder einen tüchtigen Abt ein, den Benediktinermönch Alexander a Lacu. Als am 6. März 1733 Kloster und Kirche aufgrund von Brandlegung in Flammen standen, war das für das Kloster eine Katastrophe. Die Kirche wurde vorerst auf billigste Weise neu gebaut, jedoch im Laufe der nächsten Jahre mit höchstem finanziellen Aufwand prachtvoll gestaltet. Gerade die Rokokoausstattung sichert der Kirche bis heute ihren hohen Berühmtheitsgrad. Im Jahr 1940 kam es unter dem nationalsozialistischen Regime zur Enteignung. Im Mai 1945 erreichten die amerikanischen Truppen Wilhering. In den darauffolgenden Monaten kehrten etliche Stiftsangehörige zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der Konvent auf über 60 Mönche. Neben dem klösterlichen Leben waren die Führung des Stiftsgymnasiums und die Seelsorge in den Pfarren besondere Aufgaben des Stiftes. Die Stiftsgärtnerei wurde wesentlich erweitert. Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten wurde 2019 das neue Stiftsmuseum eröffnet. Im September wird nun das Jubiläum 875 Jahre gefeiert.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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