Wort zum Sonntag
Von Luther zu lernen heißt zur Kenntnis zu nehmen, dass er sich ein solches Vorhaben ebenso verboten haben würde wie er der Sammlung seiner Schriften nicht zustimmen wollte.
Besonders empört hat es ihn, wenn sich Leute „lutherisch“ nannten.
Er hat sich selbst kaum als Vorbild verstanden. Selbstkritisch genug wusste er um seine Schwächen und Mängel. Von Luther zu lernen bedeutet, von ihm zu Christus gewiesen zu werden. Sein Glauben, sein Denken, seine Spiritualität haben einen enormen Zug zur Mitte. Und diese Mitte ist uns gemeinsam.
Kann man von jemandem „glauben“ lernen? Das würde voraussetzen, dass jemand weiter ist, als ich es bin, und mir zeigen kann, „wie es geht“. Kann man von jemandem lieben lernen? Oder gilt: Zu lieben lernt man mit jemandem, indem ich in Beziehung stehe. Lieben lerne ich, indem ich liebe. Liebe ist keine Sache des Lehrbuchs. Natürlich kann man über Liebe nachdenken und sprechen. Man kann tatsächlich lieben lernen. Aber nur, indem man liebt.
Glaube ist der Überschritt ins Tun. In ein Tun, das mit der Beziehung zusammenhängt: Der Gott, dem ich vertraue, wird mein Vertrauter. Ich gehe seinen Spuren nach. Ich versuche, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Ich werde zum Kind und werde gleichzeitig hineingenommen in einen Lernprozess, der mich über mich hinausführt. Der mich zum Segen macht für andere. Diese doppelte Zielrichtung des Glaubens ist ein Paradox: Ich darf bedingungslos auf den vertrauen, der mir Vater und Mutter ist, und ich soll zugleich mich selbst aus dem Zentrum meines Lebens rücken und Hingabe leben.
Der Glaube ist exzentrisch. Er sucht seine Mitte nicht in sich selbst, sondern setzt sein Vertrauen auf Gottes Liebe, auf seine Barmherzigkeit. Der Glaube weiß, dass er in sich und aus sich nicht zur Ruhe kommen kann. Nicht was ich bin, nicht was ich kann, ist entscheidend.
Entscheidend ist, dass ich geliebt werde.
Auf diese Liebe, die mir in Christus entgegenkommt, kann ich setzen. Sie befreit mich auch von mir selbst: Nicht mein Tun entscheidet, nicht meine Leistung. Die Liebe, die mich berührt, weckt meine Liebe und lässt mich liebevoll handeln. Denn Liebe ist kein Gefühl, das meiner Erbauung dient. Liebe ist Zuwendung zu den Menschen und zur Welt. Glaube und Liebe kapseln sich nicht ab, sondern öffnen sich, setzen sich aus.
Am Ende der Vorrede zur Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche fasst Luther diese Mitte so zusammen: „Ja, wo der Glaube ist, kann er nicht an sich halten, er beweiset sich, bricht heraus, und bekennet und lehret solches Evangelium vor den Leuten und wagt sein Leben daran. Und alles was er lebt und tut, das richtet er auf des Nächsten Nutzen ihm zu helfen, nicht nur auch zu solcher Gnade zu kommen, sondern auch mit Leib, Gut, und Ehre, wie er sieht, dass ihm Christus getan und folgt so dem Beispiel Christi nach. Das meint Christus da er zuletzt kein anderes Gebot gab, als die Liebe, daran man erkennen sollte, wer seine Jünger wären und rechtschaffene Gläubige. Denn wo die Werke und die Liebe nicht herausbricht, da ist der Glaube nicht recht, da haftet das Evangelium noch nicht und ist Christus noch nicht recht erkannt.“
Glaubens-Impulse aus der Ökumene Teil 1
Gerold Lehner ist seit 2005 Superintendent der Evangelischen Kirche A.B. Oberösterreich
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>