Wort zum Sonntag
Im ersten Beitragsteil war bereits von den über 20 katholischen Ostkirchen die Rede. Diese Ausdrucksweise wurde gewählt, da es keine amtliche Zählung der „Kirchen eigenen Rechts“ gibt, und bei manchen Gemeinschaften ist dieser Status fraglich. Alle ihre Gläubigen gehören aber zu folgenden Riten(familien) bzw. Traditionen.
Die alexandrinische Ritenfamilie umfasst den koptischen und äthiopischen Ritus. Zur großen antiochenischen Ritenfamilie gehören die west- und ostsyrische Tradition. Zum westsyrischen Bereich zählt eigentlich auch die byzantinische Tradition (mit ihren unterschiedlichen Riten bzw. Formen, wie die byzantinisch-ukrainische oder melkitische), wie auch der antiochenische und maronitische Ritus sowie der syro-malankarische in Indien. Zur ostsyrischen Tradition gehört neben dem chaldäischen Ritus der in Indien beheimatete syro-malabarische Ritus. Die armenische Tradition ist sowohl west- als auch ostsyrisch beeinflusst.
In den meisten östlichen Traditionen wird gesäuertes Brot in der Messfeier verwendet. Der Eucharistieempfang schließt die Einführung in das Heilsmysterium durch Taufe und anschließende Myronsalbung (Firmung – sozusagen als Sakrament für die Reifung, nicht für die Reifen) ab. Die eucharistischen Gaben sollen als wirksame Nahrung auch Säuglingen gespendet werden.
Die Ostkirchen gehen (jedenfalls in der Regel) von einer Vollform der Eucharistiefeier mit Gesang, Weihrauch und Prozessionen aus und legen Wert auf die Kommunion unter beiden Gestalten. Um diese Praxis nicht aufgeben zu müssen, habe ich mir als Priester angesichts von COVID auch 100 Kommunionlöffel angeschafft.
Die Bandbreite an liturgischen Eigenheiten ist groß. Bei den Armeniern ist der Gebrauch des ungesäuerten Brotes alt, und diese Kirche verwendet als einzige auch puren Wein ohne Wasser. Letztere Praxis wurde katholischerseits zwar abgeschafft, aber inzwischen wiederhergestellt. Dies betrifft vielfach auch die im byzantinischen Ritus praktizierte Beigabe von heißem Wasser zum eucharistischen Wein vor der Kommunion, was die „Glut des Hl. Geistes“ symbolisiert. An der Ausübung oder Auslassung dieser Praxis wie auch der Einfügung des westlichen Zusatzes über den Hl. Geist im (großen) Glaubensbekenntnis (das „filioque“) lässt sich ablesen, inwieweit auf eine „Rückkehr zu den Überlieferungen der Väter“ Wert gelegt wird. Dies wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil (Orientalium Ecclesiarum 6) aufgetragen, wobei auch „organische Entwicklungen“ anerkannt wurden. Manchmal dominieren aber immer noch spätere römisch-katholische Übernahmen, besonders in der Volksfrömmigkeit.
Da sich die liturgische Praxis nach starken Entwicklungen im ersten Jahrtausend später oft konserviert hat, stellt sich heute auch die Frage nach Reformen. Große Veränderungen wie in der römisch-katholischen Kirche sind kaum vorstellbar, es geschehen aber kleine Schritte. So geht man – teils offiziell, teils individuell – dazu über, das Hochgebet vernehmlich zu sprechen, anstatt es (großteils) durch Gesänge zu überlagern.
Thomas Mark Németh ist Professor für Theologie des christlichen Ostens an der Universität Wien und Priester der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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