Wort zum Sonntag
Der erste Beitrag dieser Artikelreihe hat gezeigt: Das „Allgemeine Gebet“ – das in der Liturgie üblicherweise „Fürbitten“ genannt wird – beruht auf jahrhunderte-alter Überlieferung, die leider verloren gegangen war.
Das Zweite Vatikanische Konzil wollte das Allgemeine Gebet nicht neu erfinden, sondern wiederentdecken! Nicht vergessen werden darf dabei übrigens auf die östlichen Traditionen des Christentums: Das Konzil hat sie ohnehin sehr geschätzt, und in ihnen spielte das Allgemeine Gebet schon immer eine herausragende Rolle.
Der Blick in die Geschichte zeigt: Die einzelnen Anliegen des Allgemeinen Gebets wenden sich gar nicht an Gott, sondern sind Einladungen an die versammelte Gemeinde. Es heißt also nicht „Gott, schütze die Kranken“, sondern zum Beispiel „Lasst uns beten für die Kranken“. Es heißt nicht „Rette die Welt vor Krieg“, sondern „Um Frieden lasst uns beten zu Gott“.
Wenn das aber keine Gebete, sondern Gebetseinladungen sind, wo bleibt dann das Gebet? Es muss natürlich auf die Gebetseinladung folgen! Also folgt nun eine Zeit der Stille (für die persönliche Zwiesprache mit Gott) oder ein gemeinsamer, an Gott gerichteter Gebetsruf. Das kann zum Beispiel „Herr, erbarme dich“ sein, was man dann gedanklich ergänzen kann zu „Herr, erbarme dich der Kranken“ oder „Herr, erbarme dich der Welt“. Es kann auch beides geben: erst die Stille, dann der gemeinsame Ruf zu Gott.
Und noch etwas: In alten Überlieferungen wird das Allgemeine Gebet nicht vorgelesen, sondern gesungen, manchmal wird für das stille persönliche Gebet sogar die Körperhaltung gewechselt: „Beuget die Knie“ kennen wir heute noch aus der Karfreitagsliturgie.
Ist das alles wichtig? Oh ja! Das Allgemeine Gebet verfehlt nämlich sein Potenzial, wenn jemand bloß Texte abliest und alle gedankenlos „Wir bitten dich, erhöre uns“ murmeln. Allgemeines Gebet kann eine körperliche Erfahrung sein, die Stimme in Schwingung bringen, die Gemeinde im Rhythmus des Hörens und Singens vereinen – und dabei gilt: Nicht irgendwer am Mikrofon betet, sondern alle beten! Die Person, die die einzelnen Anliegen nennt, lädt alle anderen zum Gebet ein, motiviert sie, schärft ihr Bewusstsein für die Nöte der Welt, nimmt ihnen aber nicht das Beten ab.
Allgemeines Gebet soll die Berufung der Kirche als Gebetsgemeinschaft erfahrbar machen: mit Leib und Seele vor Gott, im Namen aller Notleidenden, aller Verantwortungsträger in Kirche und Gesellschaft, im Namen der Schöpfung, im Namen der ganzen Welt.
Buchtipp:
Liborius O. Lumma, Für-Bitten.
Das Allgemeine Gebet in der Eucharistiefeier und anderen Gottesdiensten für alle Zeiten des Kirchenjahres und Fürbitten für spezielle Anlässe. 2. Aufl., Tyrolia 2017, Hardcover € 24,95
Wort zum Sonntag
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