Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
Der Herr wird dir Gutes tun. Denn du hörst auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, und bewahrst seine Gebote und Satzungen, die in dieser Urkunde der Weisung einzeln aufgezeichnet sind, und kehrst zum Herrn, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele zurück.
Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. Es ist nicht im Himmel, sodass du sagen müsstest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können?
Es ist auch nicht jenseits des Meeres, sodass du sagen müsstest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.
Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen.
Er ist vor aller Schöpfung und in ihm hat alles Bestand. Er ist das Haupt, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles auf ihn hin zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.
In jener Zeit stand ein Gesetzeslehrer auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.
Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben! Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jéricho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber.
Ein Samaríter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Und am nächsten Tag holte er zwei Denáre hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso!
Ich komme zu dir mit meinem Bittgebet,
Herr, zur Zeit der Gnade.
Gott, in deiner großen Huld erhöre mich,
mit deiner rettenden Treue!
Erhöre mich, Herr, denn gut ist deine Huld,
wende dich mir zu in deinem großen Erbarmen!
Ich bin elend und voller Schmerzen,
doch deine Hilfe, Gott, wird mich erhöhen.
Ich will im Lied den Namen Gottes loben,
ich will ihn mit Dank erheben.
Die Gebeugten haben es gesehen und sie freuen sich!
Ihr, die ihr Gott sucht, euer Herz lebe auf!
Denn der Herr hört auf die Armen,
seine Gefangenen verachtet er nicht.
Denn Gott wird Zion retten,
wird Judas Städte neu erbauen.
Man wird dort siedeln und das Land besitzen.
Die Nachkommen seiner Knechte werden es erben,
die seinen Namen lieben, werden darin wohnen.
Du sollst den Herrn deinen Gott lieben;
und deinen Nächsten wie dich selbst.
Gott lieben, ok, das kann sich vielleicht ein gläubiger Christ, eine gläubige Christin noch halbwegs gut vorstellen. Aber hier wird viel mehr noch gefordert: den Nächsten, die Nächste zu lieben, jeden, jede, die mir begegnet. Schier unmöglich? Doch was wäre, wenn wir den Begriff der Liebe synonym verstehen würden mit Respekt, mit würdevollem Umgang, mit dem, was uns Menschen entspricht? Wäre das nicht wunderbar, wenn wir jedem, jeder mit diesen Haltungen begegnen würden?
Wir wandeln durch den Alltag, oft ohnmächtig angesichts der Welt, die sich vor unserer Haustür zeichnet. Wir sind nicht allein und das ist auch gut so. Es hängt nicht von uns allein ab, wie sich unser Leben, unser Tag oder die nächsten Stunden gestalten. Angesprochen, aufgehalten oder sogar ausgebremst: Sei es von der Person, die vielleicht die U-Bahn zu langsam betritt, die Schlange im Supermarkt aufhält oder die mich in der Hektik des Alltags um einen Gefallen bittet.
Und genau hier liegt es an uns, den markanten Unterschied zu machen, uns selbst zurückzunehmen, uns in den anderen hineinzuversetzen. Was bewegt diesen Menschen? Was geht in ihm vor? Ist er traurig? Ist er glücklich? Ihn in seinem Menschensein zutiefst wahrzunehmen, das in ihm zu sehen, eben das, was uns alle verbindet.
Wenn wir von diesem Menschsein, das uns allen innewohnt, ausgehen; mehr noch, es bewusst wahrnehmen, es ernst nehmen, ja, dann scheint die Aufforderung zur Nächstenliebe, zum Respekt, zu einer der menschlichen Würde angemessenen Umgangsform gar nicht mehr so grotesk zu sein, wie sie anfangs anmutet.
Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.