Wort zum Sonntag
Mit Jesus Christus ist es ein bisschen wie mit lieben Menschen aus meinem Lebensumfeld: Ich kann und will sie nicht „herausschälen“ aus ihrem Lebensumfeld, aus ihrer Geschichte, aus ihren Prägungen, aus dem, was sie leben lässt, was ihnen lieb und wichtig ist und wofür sie stehen.
Auch Jesus ist keine einsame, geschichtslose Gestalt. Jesus war Jude und ist im Glauben und in der Lebenskultur seines Volkes groß geworden. Er hat die Feste mitgefeiert, die allesamt Erinnerungsfeste waren. Im jüdischen (und auch im christlichen) Glauben ist Erinnerung ein wesentliches Element.
Nicht Erinnerung im Sinn eines gebetsmühlenartigen Wiederholens von ewig-gestrigen, längst belanglosen Geschichten, auch nicht Erinnerung im Sinne von Nostalgie („ach, wie schön war es doch früher“). Erinnern heißt „inne-werden“, zurückschauen, noch einmal von innen her verkosten und sich vergewissern, was geschehen ist.
Erinnern kann auch heißen, bisher unerkannte Zusammenhänge zu entdecken und neu zu verstehen, „was los war“ oder wie etwas gekommen ist. Das Volk Israel, also das Volk, zu dem Jesus gehört hat, hat seine Geschichte ausgerechnet in einer Zeit des Fremdseins so verstanden, dass Gott selber die Welt und somit auch den Menschen geschaffen hat. Im großen Schöpfungshymnus gleich zu Beginn der Bibel wird das immer wieder feierlich besungen: „Und Gott sah, dass es gut war.“
Gott ist mit seinem Volk mitgegangen, er hat sich gezeigt, er hat sich zu verstehen gegeben und einen großen Segen versprochen (z. B. dem Abraham). Gott hat durch Menschen (z. B. durch Mose) in die Geschichte eingegriffen, Gott hat sich Menschen (z. B. die Propheten) als Werkzeuge genommen, um seinem Volk die Augen zu öffnen. Das alles hat Jesus gewusst, und es hat ihn geprägt. Diese lange gemeinsame Geschichte und diese Verwurzelung waren sozusagen in seine DNA eingeschrieben. Um Jesus zu verstehen, ist es – so wie auch bei einem lieben Menschen – gut, seine Geschichte zu kennen und zu verstehen.
Durch Jesus ist Gott selber Fleisch und Blut, also Mensch geworden und hat „unter uns gewohnt“. Das Johannesevangelium sagt es eigentlich noch einmal deutlicher: „Er hat sein Zelt unter uns aufgestellt“. Ein Zelt: vorläufig, filigran, für Pilger geeignet. Und doch: Es ist Gott selber, von dem die Rede ist.
Im Namen „Jesus“ klingt in der ersten Silbe der alttestamentliche Gottesname „Jahwe“ an: Gott ist mit uns, der „Ich bin da“, der „Ich bin der, der mit euch geht“, Gott ist gegenwärtig. Die zweite Silbe des Namens deutet Heilung, Rettung, Erlösung an. Eine alte Exerzitienmeisterin hat einmal gesagt, als sie dazu angeleitet hat, im Atmen mit dem Namen „Jesus“ zu beten: „Gottes heilende, Gottes heilsame Gegenwart.“ «
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Spuren und Wurzeln des Christlichen
Teil 2 von 3
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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