Wort zum Sonntag
Doch es ist alles andere als ein Weckerläuten der lästigen Art wie sonst, wenn man doch noch so gerne liegen bliebe in der wohligen Bettwärme. Keines, bei dem ja doch nur Pflicht und Arbeit riefen. Nicht drohend, strahlend geht sie auf – die „Herrlichkeit“ des Herrn. Die „Decke der Finsternis“, das „Dunkel der Völker“ – sie lichten sich.
Am Anfang steht kein Feuerwehralarm, der einen mit einem Erschrecken aus den Federn holt, eher ein Lockruf: Lass dir nicht entgehen, was jetzt geschieht. Du wirst doch das nicht versäumen wollen. Jetzt geschieht, was du so sehnlich erwartet hast. Steh auf! Du erlebst etwas. Es ist Zeit, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. Aus deinen Träumen wird Wirklichkeit.
Man muss genau hinhören, denn es ist kein Licht, das nur von außen kommt. „Werde licht!“, spricht Jesaja die Zuhörenden direkt an. Als Eigenschaftswort steht es da: „licht“ wie „hell“. Das Gotteslicht breitet sich im menschlichen Widerschein über die Erde hin aus – durch jene, die sich erhellen lassen von diesem Licht. Lichtträgerinnen und Lichtträger sollen sie sein.
Zu Recht werden solche Jesaja-Texte gerade im Advent vorgetragen. Sie stehen für die Überzeugungskraft des Guten, des Frohen, der Freude. Erhellend sind sie. „Du wirst schauen und strahlen, dein Herz wird erbeben und sich weiten“, fasst Jesaja die Wirkung dieser Begegnung mit dem Göttlichen in ein Versprechen. Ein Entzücken wird sein. Freude pur. Und dieser Freude darf man ruhig trauen.
Es braucht nicht das „Schlechtergehen“ – als ob Menschen nur in den Leid-Erfahrungen Gott auf die Spur kommen könnten. Man muss nicht krank werden, um auf den tieferen Sinn des Lebens zu stoßen. Gott will nicht das Elend, um sich selbst damit in den Blick zu rücken. Diese Unterstellung gibt es ja oft, wenn über Menschen herablassend gesprochen wird: Sie lassen es sich gut gehen und denken nicht an Gott; aber dann, wenn schlimme Tage kommen – Krebs diagnostiziert wird, oder ein nahestehender Mensch stirbt –, dann kriechen sie zu Kreuze. Eine zynische Haltung anderen Menschen gegenüber wäre das, ungläubig eigentlich, denn sie will nicht glauben, dass Gott im Guten dem Menschen begegnet.
Jesaja spricht anders: Keineswegs nur an den Grenzen des Lebens erschließt sich sein tieferer Sinn, sondern in dessen Mitte. Im Entzücken, im Strahlen begegnet und erfährt ein Mensch Gott. Der Advent führt heraus aus den „bangen Nächten“, von denen das Adventlied „Tauet Himmel“ singt. Nicht in den Albträumen, in den Glückserfahrungen des Lebens zeigt sich Gott – als Schöpfer des Guten, als Geber der Gaben. Er will herausführen aus den Verdunkelungen und allem, wovor man sich fürchtet. Diese Grunderfahrung ist so stark, dass sie auch durch bange Nächte tragen kann, sodass die Freude nicht erstickt. Der Advent will das Herz weiten, dass es groß genug wird für diese Freude, die kommen will.
Deshalb dieser zweite Impuls: Werde licht! In den Gesichtern der Gottgläubigen soll sich dieses Gotteslicht widerspiegeln. Ein Auftrag ist es. Auch wenn sich das Bangen nicht einfach aus der Welt schaffen lässt, so wird es doch leichter zu tragen sein – in diesem göttlichen Licht, in einem Grundvertrauen. Wie gut.
Wie schön.
Steh auf, werde licht!
Denn dein Licht ist gekommen,
und die Herrlichkeit des Herrn
ist über dir aufgegangen.
Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völkerschaften;
aber über dir strahlt der Herr auf, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (...)
Da wirst du schauen
und strahlen,
dein Herz wird erbeben und sich weiten.
Jesaja 60,1–2.5a
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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