Elisabeth Wertz ist Religionslehrerin und Pastoralassistentin im Südburgenland, derzeit in Elternkarenz.
Gedanken zu Matthäus 14,22–36: Petrus auf dem Wasser
Stürmische Zeiten, in denen alles drunter und drüber geht, chaotische Zustände, die alles ins Wanken bringen – sie begleiten das Leben einzelner Menschen, Familien, Gruppen oder gar Völker. Es sind Erfahrungen, die den Glauben erschüttern können oder in denen Gott den Menschen fremd, gespenstisch wird. Sie fragen sich: Wo ist Gott? Warum lässt er die Katastrophe, das Unglück oder Schicksal zu?
Auch Jesus und die Jünger:innen leben in stürmischen Zeiten. Neben der existentiellen Not, von der ein Großteil der Bevölkerung betroffen ist, gibt es Überfälle, Anschläge und Gewalt. Jesus und die Jünger erreicht die Nachricht, dass ihr Freund Johannes der Täufer von Herodes hingerichtet wurde (Matthäus 13,3–12). Jesus will sich zurückziehen, aber die Menschen drängen sich um ihn. Sie haben Redebedarf. Wie kann und soll es weitergehen? Am Abend wollen die Jünger die Menschen wegschicken, damit sie sich etwas zu essen kaufen. Doch Jesus interveniert: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Matthäus 13,16b). Es ist eine erste Antwort Jesu auf die Krise, auf die stürmische Zeit. Solche Zeiten sind nur mit Zusammenhalt und dankbarem Teilen (Eucharistie) zu bestehen.
Wir finden dann eine weitere Art, um Krisen zu begegnen. Nach der „Brotvermehrung“ entlässt Jesus die Menschen, sie sollen nach Hause gehen. Die Jünger heißt er, ans andere Ufer hinüberzufahren. Es ist ein Aufbrechen, ein Verlassen des gewohnten Denkens, des bisherigen Lebens, es ist das Wagnis eines Neuanfangs. Jesus selbst geht auf einen Berg und betet. Der Tod eines Freundes bewirkt eine Krise, weckt Ängste und zieht ihn hinunter. Jesus geht hinauf. Das Hinaufgehen verbindet er mit Gebet. Er holt sich Kraft und Orientierung aus den Liedern Davids, den Psalmen. Dieses Beten trägt ihn und lässt ihn über die Chaosfluten, Ängste und Widerwertigkeiten hinweggehen.
Die Jünger:innen fürchten inzwischen, mit dem Boot unterzugehen. Mit großem Einsatz schöpfen sie Wasser, aber alle Anstrengung reicht nicht aus. Ohne dass sie ihn gerufen haben, kommt ihnen Jesus über den See entgegen. Den Jüngern ruft Jesus zu: „Habt Vertrauen, ich bin es. Fürchtet euch nicht!“ (Matthäus 14,27b). Die Aufforderung „Fürchtet euch nicht!“ kommt in der Bibel 366-mal vor. Sie steht über jedem Tag eines Jahres: Lebe den Tag ohne Furcht! Hab keine Angst vor dem Leben – bei allen Unsicherheiten – und hab keine Angst vor dem Tod, der dunkel erscheint. So wächst bei den Jünger:innen der Glaube: Jesus ist mehr als ein Gespenst. Gerade in Not geratene Menschen dürfen mit seiner rettenden Nähe rechnen.
Nachdem Petrus erstes Vertrauen gefunden hat, lässt er sich von Jesus sogar aus dem Boot rufen. Jesus sagt zu ihm: Komm! (Matthäus 14,29). Sein Wort trägt. Als Petrus allerdings den Blick von Jesus abwendet und nur noch den Sturm, den Wind, die Wellen und Wogen, das heißt die widrigen Umstände sieht, beginnt er zu sinken. Es folgt von Jesus kein Vorwurf, sondern er streckt Petrus die rettende Hand entgegen. Sie hält ihn über Wasser und führt ihn und die anderen ans neue Ufer.
Im Aufbrechen an ein anderes Ufer können sich unterschiedliche Lebenserfahrungen spiegeln, wie: das Einlassen auf eine Beziehung, die Geburt eines Kindes, der Wechsel einer Arbeitsstelle, eine schwere Erkrankung, Konflikte und auch das Sterben. Die Erzählung weist auf mehrere Aspekte hin, wie wir diesen Herausforderungen begegnen können: Im Gespräch, im Gebet, im Teilen und mit dem Blick auf Jesus. Schließlich finden wir die Zusage, dass es eine Hand gibt, die Sorge für das Ankommen trägt.

Elisabeth Wertz ist Religionslehrerin und Pastoralassistentin im Südburgenland, derzeit in Elternkarenz.

Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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