Wort zum Sonntag
Seit Anfang Mai ist auf dem Friedhof von Hall der „Altar“ von Kris Martin aufgerichtet. Der belgische Künstler hat 2014 eine Skulptur geschaffen, die nach prominenten Standorten in Oostende, London, Miami oder New York nun auch in Tirol Menschen fasziniert. Auf-Schauen – nicht in der Trauer gefangen bleiben. Gerade auf einem Friedhof braucht es diese Anstiftung zu einem Blick, der sich nicht im Verlust eines Menschen vergräbt. Ein Blick, der suchend und tastend über das unmittelbar Bedrängende hinausgeht. Ein Blick, der mehr erhofft und sieht, als die Welt bieten kann.
Jesus hat den verzagten Jüngern erklärt: „Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen.“ (Joh 16,7) Greifen wir diese Zusage auf. Der Geist ist uns verheißen. Er befreit von kleingläubiger Angst und vom heillosen Kreisen um uns selbst. Er befähigt zum Auf-Schauen, weil Gott uns nicht als Waisen zurücklässt. Seine Gegenwart geht zu Herzen – tröstend und inspirierend. Der pfingstliche Blick ist eine Alternative zum verbitterten Blick, der nichts mehr für möglich hält. Das Kunstwerk am Haller Friedhof ist dafür eine ungewöhnliche Auf-Schau-Hilfe.
Kris Martin hat mit Formrohren aus Eisen den Rahmen des Genter Altares nachgebaut – detailgetreu und funktionstüchtig. Der zentrale Blick trifft dabei nicht mehr auf die „Anbetung des Lammes“, wie sie der niederländische Renaissancemaler Jan van Eyck dargestellt hat, sondern auf den Bettelwurf, ein Bergmassiv in der Innsbrucker Nordkette. Vom oberflächlich vertrauten Altar-Bild ist nur der Rahmen geblieben. Braucht es nun sofort Ersatzstücke oder lädt uns der pfingstliche Geist ein, die vordergründige Leere einmal auszuhalten? Worauf richtet sich denn unsere „Anbetung“?
Petrus Canisius hat Bilder des Glaubens gefordert. Er wollte seinen Zeitgenossen den katholischen Glauben vor Augen stellen und sie innerlich formen. Nicht minder aktuell für unsere Zeit. Zu viel medialer Bilderschrott lastet auf unserer Seele. Es braucht eine Bild-Hygiene, um innerlich wieder frei zu werden – zum Staunen, Auf-Schauen und Anbeten. „Wer mich sieht, sieht den Vater“, hat Jesus erklärt und damit das einzig wahre Gottes-Bild benannt. Der pfingstliche Geist will dieses lebendige Bild von neuem in uns einprägen. Damit werden wir befähigt, auch zu unseren Nächsten wertschätzend aufzuschauen. In jedem Fall eine heilsame pfingstliche Übung!
Gegenwartskunst zum 500. Geburtstag von Petrus Canisius: Dialog zu den existentiellen Fragen des Menschseins. Diese Serie stellt einige zentrale Werke vor.
Teil 1
mit Bischof Hermann Glettler
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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