138 Wohnhäuser im Eferdinger Becken sollen ein Absiedelungsangebot erhalten – um der Donau bei Hochwasser Platz zu geben. Viele verstehen nicht, warum nicht möglich sein soll, was Jahrhunderte funktioniert hat: dass Mensch und Natur miteinander auskommen. Franz Pickl-Eder ist einer von ihnen.
Im Haus des Franz Pickl-Eder in Goldwörth/Hagenau ist nichts mehr davon zu merken, dass hier vor fünf Monaten das Hochwasser in den Wohnräumen stand. Tische, Stühle, Truhen, Bett sind neu. Der 72-Jährige hat sie nach der Überflutung mit einfachen Werkzeugen selbst gezimmert – aus Vollholz. „Etwas anderes kommt mir nicht in mein Haus“, sagt der erfahrene Donauanrainer. Im Haus ist also alles in Ordnung – aber im Kopf – da ist es noch immer, das Wasser. Es ist nicht, wie es bei früheren Hochwässern war – dass es kommt – und wieder geht. Franz Pickl-Eder gehört zu denen, die ein Absiedelungsangebot erhalten werden. Schon ab Jänner werden die Häuser geschätzt – und dann muss entschieden werden.
Lasten für die Enkel
Franz Pickl-Eder lebt jetzt allein im Haus. Vor vier Jahren starb seine Frau Maria. Hinter dem Haus stehen noch die Gewächshäuser. Mit Tochter und Schwiegersohn, die in Walding leben betreiben sie jetzt nur noch die Ab-Hof-Verkaufsstelle im Haus. Aber Franz Pickl-Eder muss eine Entscheidung treffen: Bleiben oder gehen? Doch die Antwort betrifft auch die Kinder und Enkel. Im Obergeschoß hätte ausgebaut werden sollen. Das war der Plan. Aber wer bleibt, muss gravierende Auflagen auf sich nehmen. Die müssten dann die Enkel tragen. Für die 96-jährige Oma Leopoldine war es das letzte Hochwasser. Sie haben sie hinübergebracht nach Walding, als das Wasser kam – und sie hat sich gefreut, als sie wieder heimkam, wo der Kachelofen in der Stube stand. Am 6. September ist sie gestorben.
Jahrhunderte mit dem Fluss
Vor gut 260 Jahren, erzählt Franz, ist das Pickleder-Haus von seinem Stammhaus auf der anderen Donauseite „weggekauft“ worden. Damals stand es vermutlich schon 100 Jahre. Die Jahreszahl 1848 steht im Türbogen. Da gab es wohl eine Erneuerung. 50 Jahre später hat es der Urgroßvater gekauft. 1918 ist das Haus niedergebrannt. Der Großvater war noch im Krieg. „Das Wasser ist für mich kein solches Thema“, sagt Franz Pickl-Eder. „Du weißt, es ist Hochwassergebiet, du räumst weg und wieder her – man kann damit leben.“ 1956 hat ein Eisstau Ende Februar die Gegend überflutet. Das war es schlimm. Man konnte nicht heizen, kaum lüften, und es dauerte lange, bis es trocken war. 1965 hat es drei Wochen gebraucht, bis das Wasser zurück im Fluss war. Franz Pickl-Eder hat sich zusammengetan mit anderen. Er schreibt Briefe, eine Resolution an die Politiker haben sie auch verfasst. Sie wollen sich nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wissen. Über die Donau weiß Franz so gut Bescheid wie kaum einer sonst in der Gegend – von den beiden Stufen, die sich in den Eiszeiten gebildet haben, bis zum Kraftwerksbau Anfang der Siebzigerjahre.
Fruchtbares Land
Eine wunderschöne Heimat ist das hier – sie macht es ihren Bewohner/innen nur manchmal recht schwer. Manche Häuser stehen schon Hunderte Jahre lang hier – „und ihre Besitzer haben sich nicht vertreiben lassen“, schreibt Franz in einem Brief. Vor allem ist es ihm leid um das fruchtbare Land: Es ist bester Boden. Dass hier nur noch „Energiewald“ wachsen soll, damit kann er sich nicht abfinden.
Entwertung
Das Wort „freiwillig“ – mit dem die Absiedelungsangebote verknüpft sind, findet nicht nur er als zynisch, wie das bei einem „Dorfgespräch“ am 14. November beim Kirchenwirt in Goldwörth zum Ausdruck kam. Wer bleiben will, muss mit Erschwernissen leben: Umbauverbote, Grund-Entwertung. „Man fühlt sich als Mensch zweiter Klasse und ist es auch“, sagt Franz. „Keiner sagt uns, was eigentlich geplant ist.“ Dabei wäre nach Stand der Technik hochwassersicheres Bauen möglich. Dass ein Teil der Bevölkerung „kostenlos“ geschützt werden soll, während andere mit großen Nachteilen behaftet werden, widerstrebt seinem Gerechtigkeitsempfinden. Aber das wollen auch die anderen Ortsbewohner/innen nicht, wie beim Dorfgespräch deutlich zu spüren war.