Klimapolitik spielt in Österreich keine prominente Rolle
Tropische Wirbelstürme, Erdbeben, Starkregen und Überflutungen – extreme Wetterereignisse werden weltweit häufiger. Ob der Grund dafür beim Klimawandel liegt und was von der Weltklimakonferenz in Warschau zu erwarten ist, darüber gibt die Klimaforscherin und Meteorologin Helga Kromp-Kolb Auskunft.
Wie ernst sind Ihrer Meinung nach die Gefahren, dass Naturkatastrophen durch den Klimawandel in Zukunft zunehmen werden? Helga Kromp-Kolb: Da gibt es Unterschiede. Erdbeben zum Beispiel haben mit dem Klimawandel jedenfalls kurzfristig nichts zu tun. Tropische Wirbelstürme wie Hurrikans und Taifune entstehen, wenn das Meer eine bestimmte Oberflächentemperatur hat. Das heißt: Je wärmer es ist, desto intensiver können sie werden. Und wenn der Klimawandel dazu führt, dass das Meer wärmer wird – und das tut er eindeutig – dann können auch Wirbelstürme intensiver werden und zunehmen. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Die Wissenschaft tut sich allerdings schwer damit zu sagen, dieser Taifun, nehmen wir als Beispiel den aktuellen Wirbelsturm „Haiyan“, hätte ohne Klimawandel nicht stattgefunden. Um hier statistisch etwas sagen zu können, braucht man sehr viele Anlassfälle, sehr viele Taifune und längere Zeiträume. Gilt das auch für die Philippinen, die ja in einer Region liegen, wo es sehr oft zu tropischen Wirbelstürmen kommt? Helga Kromp-Kolb: Im letzten Bericht des UN-Weltklimarates, der 1988 ins Leben gerufen wurde, um Risiken der globalen Erwärmung zu beurteilen, steht ganz klar drinnen, dass im Atlantik intensive Stürme häufiger geworden sind. Für den Pazifik – die Philippinen liegen im Pazifischen Ozean – gibt es noch kein hinreichendes Zahlenmaterial, um das aufzuzeigen.
Wie entsteht ein Hurrikan? Helga Kromp-Kolb: Es ist so, dass zwischen fünf Grad nördlicher und südlicher Breite, also am Äquator, keine Wirbelstürme entstehen, sondern nördlich und südlich davon in jenen Regionen, in denen die Meeresoberflächentemperatur mindestens 27°C beträgt. Sie können aus diesem Gebiet heraus wandern, verlieren aber, sobald das Meer kühler wird, an Energie. Manchmal kommen sie noch als starke Tiefdruckgebiete nach Europa, aber nicht mehr als Wirbelstürme.
Mitteleuropa, auch Österreich, war nicht nur heuer von starken Überflutungen und Hochwasser betroffen. Spielt auch hier der Klimawandel eine Rolle? Helga Kromp-Kolb: Auch hier ist eindeutig, dass aus einer wärmeren Luftmasse mehr Regen auf einmal aus der Atmosphäre fallen kann. Das Potential für heftigere Niederschläge und damit auch für mehr Überschwemmungen – wenn die entsprechenden Abflusssysteme nicht vorhanden sind und das Wasser nicht abfließen kann – ist eindeutig mit dem Klimawandel größer. Statistische Aussagen gibt es aber auch hier wie bei den Hurrikans noch nicht.
Derzeit findet in Warschau die Weltklimakonferenz statt. Bis Ende 2015 soll ein allgemein verbindliches Klimaschutzabkommen stehen. Was sollte es beinhalten? Welche Schritte sind nötig? Helga Kromp-Kolb: Ziel muss sein, dass wir bis Mitte des Jahrhunderts im Wesentlichen ohne Treibhausgasemissionen auskommen. Das ist ein bisschen radikal formuliert; die meisten sprechen von einer Reduktion der CO2-Emissionen von minus 80 oder minus 90 Prozent. Damit das gelingt, ist es wichtig im Klimaschutzabkommen auch wesentliche Schritte für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in den Jahren davor festzulegen, nicht nur für 2050. Ich finde es problematisch, dass das Abkommen erst 2020 in Kraft treten soll, denn de facto heißt das, dass bis dahin nicht viel passieren wird. Wir müssten aber jetzt schon agieren.
Was den Klimaschutz betrifft, dauert alles viel zu lange. Was erwarten Sie sich von der Konferenz? Helga Kromp-Kolb: Es hätte schon gehandelt werden müssen, wir sind hinten nach. Aber ich glaube, es hat keinen Sinn, diese Sitzungen knapper anzusetzen, denn die Politik ist nicht reif dafür, etwas zu tun. Ich erwarte mir ehrlich gesagt nicht sehr viel von dieser Konferenz. Es ist ein Gastgeberland, das keine hohen Ambitionen den Klimaschutz betreffend hat. Solche Konferenzen sind nicht die Orte, wo große Revolutionen passieren. Ich hoffe, dass die Hausaufgaben gemacht werden, sprich dass das Inhaltsverzeichnis des Klimaschutzabkommens erstellt wird. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, festzulegen, welches Land wie viel CO2-Emissionen reduziert und bis wann. Vielleicht beschleunigt sich der Prozess von selber, wenn es den Menschen in den verschiedenen Ländern gelingt Druck zu machen. In Österreich spielt bei den Regierungsverhandlungen meines Wissens die Klimafrage keine prominente Rolle. Wir werden aber nicht von unseren CO2-Emissionen herunterkommen, wenn das nicht ein gemeinsames Ziel der gesamten Bundesregierung ist.
Was Österreich betrifft, so sind wir in Sachen Klima innerhalb der EU eines der Schlusslichter ... Helga Kromp-Kolb: Ja. Und das ist völlig unverständlich, weil wir eine extrem umweltbewusste Bevölkerung haben und auf kommunaler und regionaler Ebene sehr viel passiert. Es gibt viele Initiativen, wo es nicht nur darum geht, CO2-Emissionen mit technologischen Maßnahmen zu reduzieren, sondern wo auch Fragen des Lebensstils und der Werte angegangen werden.
Können Sie ein Beispiel geben? Helga Kromp-Kolb: Es gibt schon eine ganze Reihe von Vorzeigebetrieben wie GEA von Heinrich Staudinger oder die Zotter Schokoladen Manufaktur. Als primäres Ziel sehen sie nicht mehr möglichst viel zu verdienen, sondern einer Region oder einer Gruppe von Menschen ein erfülltes Leben zu ermöglichen. Da geschieht viel, daran wird auch an Schulen gearbeitet. Um den Klimawandel zu stoppen, brauchen wir eine tiefgreifende Veränderung unseres Wirtschaftssystems. Wenn die Anreize so gesetzt sind, dass nur Geld, Prestige und Macht zählen, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn Natur und Menschen ausgebeutet werden.