Kardinal Christoph Schönborn feierte am 7. Jänner in der Linzer Minoritenkirche den Festgottesdienst zum 50. Todestag von Staatsvertragskanzler Julius Raab.
Der Präsident der österreichischen Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, konnte zum Festgottesdienst auch die Bischöfe Ludwig Schwarz und Maximilian Aichern begrüßen. Leitl erinnerte an Raabs Vision von einem freien Österreich in einem einigen Europa und einer friedlichen Welt. Er schloss mit einem Satz aus Raabs Testament: „Haltet mir immer die rot-weiß-rote Fahne hoch!“
Raab und der hl. Severin
Auch Kardinal Schönborn stellte diese Textstelle aus dem Testament Raabs an den Schluss seiner Predigt, ergänzt um den Nachsatz im Testament: „Und bewahrt unser schönes Österreich als einen Hort der Freiheit.“ Davor ging Schönborn auf den Gedenktag 8. Jänner ein, an dessen Vorabend der Gottesdienst gefeiert wurde: Am 8. Jänner (1964) ist Julius Raab gestorben und am 8. Jänner ist das Fest des hl. Severin. Der Kardinal nannte beide „Leitgestalten des Landes, die aus der Verwurzelung im christlichen Glauben beherzt Verantwortung übernommen haben“. Der Kardinal würdigte Raab als einen der Architekten, die nach den Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Aufstieg Österreichs ermöglicht haben. Nach dieser Würdigung Raabs äußerte sich der Kardinal zur Politik. Das Größte des Wiederaufbaus sei die Gemeinschaft in der Sozialpartnerschaft, verwies Schönborn auf die großen Verdienste gerade von Julius Raab und des damaligen Präsidenten des Gewerkschaftsbundes Johann Böhm. Sozialpartnerschaft sei in der christlichen Soziallehre verwurzelt, „ihre Grundlinien sind bis heute aktuell“, betonte Schönborn. Daran schloss er den Hinweis, dass niemand in einer Demokratie dem Partner zu viel zumuten dürfe, wolle er das Land voranbringen. Raab habe dies beachtet.
Jesus, der Unternehmer
Zur Gedenkmesse hat der Oö. Wirtschaftsbund eingeladen. Übervoll war die Minoritenkirche, zahlreich waren vor allem Unternehmer/innen des Landes der Einladung zum Festgottesdienst gefolgt. Kardinal Christoph Schönborn lenkte in seiner Predigt den Blick auf unternehmerische Aspekte des Evangeliums. „Wir bedenken zum Verständnis des Evangeliums viel zu wenig, wie sehr Jesus den Unternehmer in seine Gemeinschaft, in die Kirche hineingenommen hat.“ Jesus, der Zimmermann, war Unternehmer. Sein planendes, zielgerichtetes, verantwortungsvolles Handeln sei uns ein großes Vorbild. Schönborn untermauerte diese Deutung mit einem Hinweis auf das zuvor im Gottesdienst verkündete (Matthäus-)Evangelium, das davon berichtet, wie Jesus Nazaret verließ und nach Kafarnaum zog. Dieser Ortswechsel von Jesus am Beginn seines öffentlichen Auftretens sei strategisch gewesen. „Wenn er wollte, dass seine Botschaft unter die Leute kommt“, musste er dorthin gehen, wo viele Menschen des Weges sind.
Sich nicht in den Mittelpunkt stellen
Raab als Unternehmer, als Politiker, als Sozialpartner. – Schönborn sprach viele Aspekte an. „Das Erbe Julius Raabs“, sagte der Kardinal, „ist das ausgeprägte Gespür für das Miteinander, für das Gemeinwohl, ohne das ein Staat auf Dauer nicht erfolgreich sein kann.“ Und das Miteinander gelinge nur, wenn das Füreinander gelinge. Das brauche die Bereitschaft, sich nicht selber in den Mittelpunkt zu stellen.