„Heute gewinne ich.“ – So redete es sich Georg Nachtmann immer wieder aufs Neue ein. Und versank in der Welt, in der alles untergeht – Geld, Arbeit, Freundschaften.
Dem Spielteufel an Automaten zu entkommen, war schwieriger, als sich vom Alkohol loszureißen, sagt der 60-jährige Georg Nachtmann. Er hat es geschafft. Aber es war ein harter Weg, den er vor vier Jahren begann. Der Weg braucht Standhaftigkeit, denn es gibt viele, die an das Geld von Spielern kommen wollen. Auch der Staat.
Ein Leben an der Kippe
Rückblickend schätzt der in Wels lebende Nachtmann sein viele Jahre in Spiel und Alkohol gefangenes Leben als eine Existenz ein, die total an der Kippe war. „Es hat nicht viel gefehlt und ich wäre total kriminell geworden. Ich war einfach unvernünftig“, sagte er und meint damit wohl beides: dass ihm die Spielsucht den Boden unter den Füßen wegzog und dass er dann Handlungen setzte, die ihm eine Betrugsanzeige einbrachten.
Als „trockener“ Spieler auf der Hut
„Den Spieldrang bringt man nicht ganz weg“, verweist er darauf, dass er auch als „trockener Spieler“ – noch immer das Spiel-Kribbeln kennt. Er kann es aber in verträgliche Bahnen lenken: Wöchentlich spielt er bei Sportwetten mit, setzt aber nur noch drei Euro ein. „Mehr mache ich nicht!“ Zu sehr fürchtet er die destruktive Kraft der Spielsucht. „Ich bin vom Spielautomaten weg zur Bank gegangen, um Geld nachzutanken, habe dafür das Mietgeld und die Strom-Überweisung storniert und abgehoben, was verfügbar war. Dann lief ich zittrig zum Automaten zurück und fütterte ihn weiter.“ Eigentlich aber wollte er Lebensmittel kaufen, Schulden zurückzahlen.
Systematisch verführt
Heute kann er wieder in die Lokale gehen, in denen Automaten stehen – in sehr vielen Hinterzimmern von Tankstellen etwa – und es macht ihm nichts. Aber in den ersten Monaten seiner Spiel-Abstinenz hat er um solche Lokale einen weiten Bogen gemacht. „Die Leute werden systematisch verführt“, weiß er aus eigener leidvoller Erfahrung. Das Gesetz schütze viel zu schwach davor. Denn, so Nachtmanns Zorn, auch der Staat schneidet bei der Spielsucht mit – im Casino, bei Sportwetten.
„Hast du keinen Stolz?“
Georg Nachtmann ekelt es, wenn er heute an seine spielsüchtige Zeit denkt: „Man verliert jede soziale Bindung, steht für sich alleine am Spielautomat.“ Abstoßend findet er, in welcher Gesellschaft er da war, echte Ganoven waren darunter. „Hast du keinen Stolz“, fragte er sich, „dass du dich mit denen auf eine Stufe stellst?“
Umfassender Verlust
Die Automaten blinken, schicken akustische Signale aus, locken die Sinne. Im Fernsehen wird für Spiele mit hohen Geldeinsätzen geworben, ganz offiziell. Die Katastrophe spielt sich dann abseits der Öffentlichkeit ab. Es ist die Katastrophe des umfassenden Verlustes, auch des Verlustes des Realitätssinnes. „Wenn man deprimiert vom Spielautomaten heimgeht und sich denkt: ,Was habe ich da getan!‘, ist es zu spät“, erzählt Georg Nachtmann. Das ganze Gehalt verspielt zu haben, machte ihn depressiv. Er verkroch sich im Bett, schwitzend, nervelnd, ohne Perspektive, zerstört.
Jetzt geht es bergauf
So am Ende hatte Georg Nachtmann dennoch Glück. Denn er fand die Kraft für einen Ausstieg. Um aus den Schulden herauszukommen, hat er für sich einen Sachwalter beantragt. Die Delogierung blieb ihm erspart. Über einen Privatkonkurs stottert er sich nun seit vier Jahren zurück in ein entschuldetes Leben.