„Ich habe nicht geglaubt, dass es so spannend wird, das zehn Jahre alte Sozialwort der Kirchen wieder einmal zur Hand zu nehmen und mit einem Kreis engagierter Leute darüber zu diskutieren“, meint Johanna Strasser-Lötsch.
Ausgabe: 2014/08, Strasser-Lötsch, Sozialwort
18.02.2014
- Hans Baumgartner
Vor gut zehn Jahren, als das Sozialwort der Kirchen Österreichs erarbeitet wurde, war Johanna Strasser-Lötsch als Pfarrcaritasreferentin der Diözese Linz an diesem breiten Entstehungsprozess mehrfach beteiligt. Deshalb habe sie auch zugestimmt, als sie gefragt wurde, ob sie an einem „Lesekreis“ zum Sozialwort teilnehmen wolle – auch wenn sie heute als Pastoralassistentin der Welser Stadtrandpfarre St. Franziskus einen anderen Bezugspunkt habe. Was zunächst als „Pflichtübung“ begann, wurde mehr und mehr „zu einer spannenden Reise durch Analysen, Visionen, Selbstverpflichtungen, Veränderungen und Zuspitzungen“, erzählt Strasser-Lötsch. Gleich beim ersten Satz des Sozialwortes sei sie hängen geblieben. „Stimmt es wirklich, dass wir in einer ,Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs‘ leben? Oder ist es nicht vielmehr so, dass wir in einer Epoche massiver wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Krisen (Finanzdebakel, Fukushima, Klima) in einer Position des ängstlichen Bewahrens verharren und Kuren mit alten Rezepten versuchen, anstatt aufzubrechen und den Umbruch zu gestalten?“
Schritte vorwärts
Der ernüchternde Einstiegsbefund hielt Strasser-Lötsch nicht davon ab, statt zu jammern den Blick darauf zu richten, „was sich vielleicht positiv verändert hat – im Kleinen wie im Großen“. Eine lohnende Entdeckungsreise, findet sie, die zeige, dass die Anliegen und Bemühungen der Kirchen auch auf fruchtbaren Boden gefallen sind. So etwa sei, so Strasser-Lötsch, „das Thema Schöpfungsverantwortung in den Kirchen angekommen“ – von Ökostrombörsen, alternativen Energie- und Bauprojekten bis zur umweltgerechten Gestaltung von Pfarrfesten und zur Unterstützung von fair-trade-gehandelten und regionalen Produkten. Auch im Bereich der „gerechten Geldanlage“ habe sich durch kirchliches Lobbying und das geänderte Verhalten von Diözesen, Klöstern und anderen Einrichtungen einiges entwickelt. „In sozialen Dingen“, so die ehemalige Caritasfrau mit Basisblick, „waren viele Pfarren schon immer recht wach. Was ich jetzt beobachte, ist eine zunehmende Aufmerksamkeit für ,Randgruppen‘ und ein neues Bewusstsein für interreligiöse bzw. interkulturelle Begegnung.“ Als Beispiele nennt sie das Engagement Welser Pfarren für durchziehende Roma, die – häufig auf Pfarrgrund – entstandenen interkulturellen Gärten oder neugewachsene soziale Netzwerke „auf Augenhöhe“ zwischen verschiedenen kirchlichen Initiativen und muslimischen Vereinen etc.
Teilerfolge
Im politischen Bereich sieht Johanna Strasser-Lötsch zumindest Teilerfolge. Als Beispiele nennt sie die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung, ein Punkt, der von den Parteien in ihren Reaktionen auf das Sozialwort wiederholt aufgegriffen wurde. Dass wenigstens die Kürzung der beschämend niedrigen österreichischen Entwicklungshilfe zwei Mal verhindert werden konnte, sei auch dem entschiedenen Engagement aus den Kirchen zu verdanken. Unter dem Aspekt einer größeren Gerechtigkeit habe die Katholische Aktion zwei beachtliche Vorschläge zu Steuer- und Bildungsfragen erarbeitet, die in der politischen Debatte durchaus Widerhall gefunden haben. Dass das Thema Bildung an den Beginn des Sozialwortes gesetzt wurde, hält Strasser-Lötsch geradezu für prophetisch: „Es zeigt sich immer mehr, das ist der Knackpunkt für die soziale Frage.“
Zum Interview mit Johanna Strasser-Lötsch
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