Ein gemeinsames Sozialwort von 14 christlichen Kirchen hält der Leiter des Bildungshauses Puchberg, Willi Achleitner, immer noch für eine „Sensation“. Heute jedoch, so meint er, müssten die Kirchen schärfer, lauter und ungeduldiger sprechen.
Ausgabe: 2014/08, sozialwort, Achleitner
18.02.2014
- Hans Baumgartner
Er habe es vor gut zehn Jahren „fast nicht für möglich gehalten, dass dieser Kraftakt gelingt: ein gemeinsames Wort von 14 doch recht unterschiedlichen Kirchen zu einer breiten Palette an sozialen Fragen“, meint Willi Achleitner. Als es dann auf dem Tisch lag, habe er bei vielen Veranstaltungen auf die Einmaligkeit des Entstehungsprozesses und die Bedeutung dieses „gesellschaftlichen Kompasses“ der Kirchen hingewiesen, erinnert sich Achleitner. Als er nun in Vorbereitung zu zwei Lesekreisen das Sozialwort erneut zu Hand genommen habe, „war ich am meisten erstaunt über die milde Sprache“. Vor zehn Jahren sei ihm das gar nicht so vorgekommen, „aber“, so Achleitner, „wir haben es heute mit Krisen und Entwicklungen zu tun, auf die wir ungeduldiger, entschiedener und schärfer reagieren müssen“.
Vorbild Papst
Der gesellschaftspolitisch engagierte Erwachsenenbildner verweist dabei auf Papst Franziskus. „Der redet in seinem Apostolischen Schreiben (Evangelii gaudium) fraktur. ,Kapitalismus tötet‘, kann man da lesen. Oder: ‚Eine Kirche, die nicht hinaus auf die Straßen geht, ist krank.‘ Der Papst redet nicht so, weil er ein Scharfmacher ist, sondern weil es einfach zum Himmel schreit, dass die Reichen immer ungenierter auf Kosten der Armen leben, dass ein Nachgeben der Börse die Welt kopfstehen lässt, während gleichzeitig alle fünf Sekunden ein Kind unbeachtet verhungert.“ Achleitner wünscht sich von den Kirchen kein weiteres umfassendes Sozialwort, sondern das gezielte Anfassen „heißer Kartoffeln“ mit klarer Analyse und „durchaus pointierten Positionen, Handlungsanleitungen und Selbstverpflichtungen. Das im Sozialwort vielleicht etwas groß formulierte Ziel sollte uns dabei vor einem Tunnelblick bewahren.“ Dort heißt es u. a. (S. 16): „Die Kirchen werden alles daransetzen, dass die realen, materiellen und rechtlichen Voraussetzungen für die Teilhabe aller Menschen an einem Leben in Freiheit und Gemeinschaft, in Verantwortung und Würde geschaffen werden können.“
Prüfstand
Er könne es nur empfehlen, das Sozialwort noch einmal zur Hand zu nehmen, meint Achleitner. Ob man nun alles liest und mit anderen diskutiert oder nur einzelne Kapitel, hänge vom jeweiligen „Lesekreis“ und dessen Interessen ab. Für ihn jedenfalls waren das spannende Diskussionen und Bestandsaufnahmen, die aufzeigten, „wo das Sozialwort passt und wo es auf Grund massiver Veränderungen nachgeschärft oder komplett neu geschrieben werden müsste“. Neu anschauen müsste man sich u. a. den ganzen Bereich Partnerschaft und famileale Formen, die Fragen rund um Zuwanderung, Migration und Asyl, das Thema Integration, Interreligiosität und Islam in demokratischen Gesellschaften. Völlig neu schreiben müsste man das Kapitel Medien: „Als das Sozialwort veröffentlicht wurde waren, Facebook und andere soziale Medien noch nicht erfunden – mit all ihren problematischen Auswirkungen und Chancen“, sagt Achleitner. Ein besonderes Anliegen wäre ihm eine „Option der Kirchen für die Kinder“. „Das Leben von Eltern und Kindern stehe immer mehr unter dem Druck der ökonomischen Nützlichkeit bis in den Kindergarten hinein – und die Kindheit geht dabei immer mehr verloren.“
sozialwort 10+
1. Schritt: Lesekreise. 10 Jahre nach Veröffentlichung ihres Sozialwortes laden die christlichen Kirchen Österreichs ein, möglichst viele Lesekreise zu bilden, um anhand des Textes, eines Themas (z. B. Finanzkrise) oder eines konkreten Projektes einen „Befund“ zu erarbeiten. Das Ergebnis bis Ostern an die Kath. Sozialakademie schicken!
2. Schritt: Dialoge. Die Eingaben sollen in drei Dialogveranstaltungen weiter bearbeitet werden: Zusammenführung der Ergebnisse (6. Juni, Innsbruck); Die sozialen Herausforderungen im Dialog mit Zivilgesellschaft und Religionen (10. Oktober, Wels); Weichenstellungen (3. Dezember, Wien).