Wie das Vererben an Hilfsorganisationen funktioniert
Besonders Leute ohne nahestehende Verwandte stehen vor der Frage: Wer soll mein Vermögen erben? Immer mehr wollen über den Tod hinaus Gutes tun. Gemeinnützige Organisationen bieten unter der Dachmarke „vergissmeinnicht.at“ dazu Möglichkeiten an.
Ausgabe: 2014/10, Vergissmeinnicht, kfb, Erbe
05.03.2014
- Matthäus Fellinger
Letzten Freitag hatte Maria Resl ihre erste Schulstunde – als „Leseomi“ in der Volksschule Steinerkirchen an der Traun. Die seit dem Tod ihrer Eltern „alleinstehende“ ehemalige Redaktionssekretärin der KirchenZeitung lebt in der Pension keineswegs nur für sich allein. Für die Einrichtungen und Anliegen der Gemeinde Steinerkirchen hatte sie stets ein offenes Ohr – und die Gemeinde war offen für die Hauptsorge ihres Lebens, die in ihr umging. Ihr Vater war pflegebedürftig. „Was ist mit ihm, wenn ich sterbe – wie so viele sterben in meinem Alter?“ Mit dieser Sorge ging sie zum Bürgermeister – und dieser ging auf ihren ungewöhnlichen Vorschlag ein. Im Testament hat Maria Resl die Gemeinde Steinerkirchen als Alleinerbin eingesetzt – und die Gemeinde würde, für den Fall ihres eigenen Ablebens, für den Vater sorgen. Inzwischen ist der Vater verstorben. Maria Resl unterstützt Gemeindeanliegen dennoch auch jetzt nach ihren Möglichkeiten. Die elektronische Schultafel in der Volksschule beispielsweise hat sie finanziert. „Ich kenne dich!“, hört sie seither gelegentlich von Kindern auf der Straße. „Wenn ich selbst Kinder hätte, würde ich sie natürlich auch unterstützen“, sagt Maria Resl. Für Bürgermeister Johann Auer ist das ein „Glücksfall“. Somanche Anschaffung, die sonst nicht möglich wäre, wird mit den Zuwendungen möglich – für die Ausstattung in den Schulen oder im Kindergarten. Alles wird im Einvernehmen mit der Geberin und dem Gemeinderat durchgeführt.
Krankheit hat Augen geöffnet
Elfriede und Gertraud Blätterbinder leben in Neumarkt im Hausruck. Auch die beiden Lehrerinnen leben seit dem Tod ihrer Eltern allein. Sie haben selbst keine Kinder. Anliegen allerdings, die ihnen wichtig sind, haben sie genug. Bei Gertraud war eine schwere Augenerkrankung der entscheidende Anstoß. Für die Lehrerin bestand die Gefahr, dass sie erblinden könnte, doch sie wurde wieder gesund – und unterrichtet weiter in Waizenkirchen. Die Erkrankung hat ihr die Augen geöffnet – für die vielen Menschen in Afrika, die mit einfachen Mitteln vor Blindheit bewahrt werden können. Für sie ist klar: Da kann ich helfen. Und sie will es auch. Ihrer Schwester Elfriede geht vor allem das Schicksal von Tieren nahe. Als sie erlebte, unter welchen Bedingungen Zirkusbären leben, entschied sie sich: Für den Tierschutz möchte ich etwas tun. Die beiden Frauen spenden jetzt schon im Sinne ihrer Anliegen. Darüber hinaus haben sie Hilfsorganisationen in ihrem Testament mit einem Vermächtnis bedacht. Die Informations-Initiative „vergissmeinnicht.at“ war dabei hilfreich. „Für uns ist das eine besondere Art des Spendens – eine Art Lebensspende“, meint Patrick Hafner von der Hilfsorganisation „Licht für die Welt“. Das Vertrauen, das Menschen in eine Organisation haben, werde so weitergeführt. Die Zahl der Anfragen nimmt zu. Oft sind es Teilzuwendungen aus dem Erbe, selten eine ganze Erbschaft. „Wir wollen nicht, dass unser Vermögen einmal dem Staat zufällt, sondern dass es dafür verwendet wird, was uns etwas bedeutet, sagen die Blätterbinder-Schwestern.
Das Vermächtnis für den guten Zweck
Für gemeinnützige Organisationen sind Erbschaften und Vermächtnisse bedeutsam. Bis zu 10 Prozent ihrer Mittel kommen aus diesem Bereich – in Österreich insgesamt etwa 50 Millionen Euro jährlich. Um Vermächtnisse zu werben, ist für Spendenorganisationen jedoch heikel. Niemand will in den Geruch der Erbschleicherei kommen. Unter der Dachmarke „vergissmeinnicht.at“ wird deshalb gemeinsam über entsprechende Möglichkeiten und Organisationen informiert. Bereits 58 gemeinnützige Organisationen – darunter viele kirchliche – nutzen diese gemeinsame Informationsplattform, von Sozial- und Entwicklungs-Organisationen angefangen bis hin zum Tierschutz. Einer der jüngsten Neuzugänge: Die Katholische Frauenbewegung wirbt um Zuwendungen für die Projekte des Familienfasttages.
Geteiltes Erbe
Auch die Caritas weist in ihren Einrichtungen auf diese Möglichkeit hin. Man ist dort dankbar, dass man mit „vergissmeinnicht.at“ eine sehr kostengünstige gemeinsame Plattform hat, die für das Thema sensibilisiert, so Svjetlana Varmaz von der Caritas Linz. Der größere Teil derer, die sich bei vergissmeinnicht.at informieren, sind Menschen ohne eigene Kinder, erklärt Projektmanagerin Mag. Eva Estermann. Doch auch Menschen mit Kindern wollen oft einen Teil ihres Vermögens Organisationen ihres Vertrauens zukommen lassen, um so über den eigenen Tod hinaus Gutes bewirken zu können. „Mein letzter Wille ist nicht meine letzte gute Tat“, steht entsprechend auf einer Informationsbroschüre. Vergissmeinnicht.at wird vom Verband der spendensammelnden Organisationen in Österreich getragen. In Zusammenarbeit mit der Notariatskammer werden auch die notwendigen Rechtsauskünfte zur Verfügung gestellt.
Ethische Richtlinien
Die Spendenorganisationen legen Wert darauf, dass die Erbschaftsthematik in der Familie gut besprochen wird. Die Versorgung der eigenen Familie soll auch im Vordergrund stehen. Der respektvolle Umgang sowohl mit den Erblasser/innen als auch mit den Angehörigen steht im Mittelpunkt der ethischen Richtlinien, auf die sich Mitgliedsorganisationen verpflichten. Physische und psychische Notlagen dürfen nicht ausgenützt werden. „Es ist nicht im Sinne der Organisationen, dass es zu Streit mit nicht bedachten Angehörigen kommt“, betont Eva Estermann. Nur in wenigen Einzelfällen hätte es Probleme mit entfernten Angehörigen gegeben, wenn diese mit den Verstorbenen kaum in Kontakt gestanden sind. In den weitaus häufigeren Fällen sind die Leute jedoch froh, dass sie beraten werden und dass sie dadurch eine ihren Anliegen entsprechende Institution finden. Die Wenigsten sprechen ja von sich aus gerne darüber, was nach dem Tod sein wird.
Zum Thema
Motive
Rund 80.000 Euro beträgt in Österreich eine Erbschaft im Schnitt. Immer mehr Menschen wollen eine ihnen am Herzen liegende gemeinnützige Organisation – oft neben den Angehörigen – bedenken. Als Hauptmotive dafür werden genannt:
58% Ich will nach meinem Ableben Gutes tun.
15% Ich habe keine eigene Familie
13% Persönlicher Bezug zu einer Organisation.
10% Ich möchte etwas zurückgeben.
8% Vermögen soll nicht an den Staat fallen.
5% Ich möchte in Erinnerung bleiben
Organisationen. Die größten Spendenorganisationen in Österreich sind das Rote Kreuz (2013: 59 Mio. Spendenaufkommen) und die Caritas (58,4 Mio.). Auch Missio (20 Mio.) und die Dreikönigsaktion (16,4 Mio.) befinden sich unter den größten Organisationen, noch vor „Licht ins Dunkel (13,6 Mio).
Die Spendenorganisationen empfehlen, Vermächtnisse im Testament über einen Notar zu machen – um Fehler und Missverständnisse zu vermeiden. vergissmeinnicht.at Herbeckstraße 27/Stiege 2/Tür 3, Tel. 01/276 52 98-16, info@vergissmeinnicht.at