Über das bloße Existieren, über die vielen Abschiede hinaus, lässt sich dennoch glauben, hoffen und lieben. Vielleicht ereignet sich dort das wirklich Bedeutsame. Leitartikel von Matthäus Fellinger
Für gar nicht wenige sind es Dinge wie das Turiner Grabtuch: der Beweis nämlich, dass die biblischen Berichte um Grab und Auferstehung stimmen. Die katholische Kirche sieht dieses berühmte Tuch „nur“ als Ikone, nicht als eine Reliquie. Ein Bild also, das die Augen für Jesus Christus öffnen kann. Selbst wenn man beweisen könnte, dass das Turiner Grabtuch wirklich den Leib Jesu umhüllt hat, wäre es noch kein Nachweis der Auferstehung. Die Frage bliebe: Was macht jemand mit diesem „Wissen“? Wie sollen Moleküle beweisen, was über die materielle Wirklichkeit hinausgeht? „Beweise mir, dass du mich liebst!“ Wer so dem geliebten Menschen begegnet, zeigt schon, dass seine Liebe auf zittrigen Beinen steht. Liebe ist nicht beweisbar – mit nichts. Erweisbar ist sie sehr wohl. Man kann sie zeigen, aus ihr handeln. Niemand kann sich ihrer sicher sein – und sich doch auf sie verlassen. Erhoffen kann man sie, auf sie bauen auch. Erst in der„Gegenliebe“ wird sie ganz. Mit dem Glauben ist es nicht anders. In der vom wissenschaftlichen Denken geprägten aufgeklärten Welt will der Mensch so gern alles bewiesen haben – und er tut sich doch unendlich schwer damit. Nicht einmal, ob er sich auf einen Aktienkurs wirklich verlassen kann, ist sicher. Dabei legen Menschen ihre„Sicherheiten“ gerne in solchen Dingen an. Und erst bei den wichtigsten Belangen des Lebens: Da sieht es mit Beweisen noch dürftiger aus. Zusammenleben, Glück. Gesundheit auch. Immer ist Wagnis dabei, immer braucht es Mut – und vor allem Vertrauen. Das aufgeklärte Denken der Neuzeit hat mit sich gebracht, dass Glaubensangelegenheiten mit dem Wort „nur“ versehen werden. Man kann etwas „nur“ glauben. Wirkliche Verlässlichkeit schreibt man dem Wissen zu. „Ich glaube nur, was ich weiß“, sagt der Wissenschafter. Für den, der zu lieben und zu glauben vermag, wird aus dem Nur ein Mehr. Über das bloße Existieren, auch über die Gebrechlichkeiten des Lebens, über die vielen Abschiede hinaus, lässt sich dennoch glauben, hoffen und lieben. Vielleicht ereignet sich dort das wirklich Bedeutsame. Christinnen und Christen verbinden es mit Auferstehung. Mehr sind es Hinweise als Beweise, denen zu trauen sich lohnt. „Zeichen“ des Glaubens sind es. Die glaubwürdigsten Spuren Jesu sind nicht in Textilien hinterlassen. Mehr noch als der Abdruck auf dem Tuch ist der Abdruck in den Herzen bedeutsam – in den Menschen, die in seiner Nachfolge leben. Es „beweist“ nichts, bezeugt aber viel, wenn Menschen im Namen Jesu auf dieser Welt Erstaunliches wirken.