Asyldebatte: Sollen Kriegsopfer in Militärkasernen wohnen?
Wohin mit den Flüchtlingen, die verstärkt nach Österreich kommen? Es heißt, manche lokale Politiker wollen sich nicht unbeliebt machen, und bremsen daher bei der Schaffung von Unterkünften. Geeigneten Raum zu finden ist aber auch so schwierig.
Ausgabe: 2014/41, Asyl, Flüchtlinge
07.10.2014
- Heinz Niederleitner
Seit Mitte des Jahres verstärkt sich der Flüchtlingsstrom nach Österreich. Rund 30.000 Menschen könnten zum Jahresende in der Grundversorgung für Asylwerber sein, schätzt der Bund. Doch die Unterbringung ist schwierig. Säumige Bundesländer haben mehr Zeit erhalten, um ihre Quoten zu erfüllen. Im Gespräch sind Kasernen – und in manchen Medien ist alarmistisch von Wohncontainern oder sogar Zelten zu lesen. „Das wäre eine Bankrotterklärung“, sagt Angela Brandstätter, die in der Caritas Österreich die Abteilung für Flüchtlings- und Migrationsfragen leitet. Da gebe es vorher eine Reihe anderer Möglichkeiten. Tatsächlich machen sich viele kirchliche Stellen auf die Suche nach Unterkünften – stets mit dem Hinweis, dass es eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft ist. Zudem sind Klöster oder Pfarrhöfe nicht generell als Quartiere für Asylwerber geeignet.
Kasernenproblem
Auch Kasernen sind problematisch, wie Brandstätter erläutert: „Sie müssten so adaptiert werden, dass sie kein militärisches Umfeld mehr darstellen. Denn sie sollen ja auch traumatisierte Schutzsuchende aufnehmen, die vor Militärregimen geflohen sind.“ Die Expertin nennt weitere Kriterien für Asylunterkünfte: Mindestraumgrößen, Sanitärstandards und Privatsphäre zur Aufrechterhaltung eines Familienlebens. Kinder sollten Schulen und Kindergärten besuchen können, es sollte Deutschkurse geben, medizinische Betreuung und die Beratung für die Asylverfahren. „Wenn Verfahren lange dauern, sollten die Menschen nicht nur wie in einem Wartesaal sitzen müssen, sondern ein aktives Leben führen und auch in Kontakt mit der Umgebung treten können“, sagt Brandstätter.
Integration
Auch der Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz sei wichtig. Erleichtert werde die Integration durch Unterbringung in kleineren Einheiten, sagt Brandstätter. Allerdings dürften sie auch nicht zu klein sein, denn sonst seien manche der genannten Kriterien nicht erfüllbar. Ein anderes Thema ist die Beschäftigung von Asylwerbern. „Wir plädieren für einen Arbeitsmarktzugang. Das muss nicht gleich nach der Ankunft sein, aber nach den ersten Monaten, wenn man sieht, dass das Verfahren länger dauert“, erklärt die Caritas-Expertin. Insgesamt wünscht sie sich eine sachgemäßere Debatte: „Wir sollten uns mehr vor Augen führen, dass Flucht nie freiwillig passiert, sondern dass es um menschliche Schicksale geht. Wenn Menschen von Tod, Folter und Krieg bedroht sind, haben sie das Recht, sich anderswo um Perspektiven zu bemühen.“
Zahlen zu Asyl und Flüchtlingen
Weil aufgrund internationaler Krisen mehr Flüchtlinge nach Österreich kommen, ist eine Debatte um ihre Unterbringung entbrannt.
Neue Asylanträge 2014: Bis Ende August wurden heuer in Österreich laut Innenministerium 12.878 Asylanträge neu gestellt. Das waren um 13 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die größte Gruppe sind 3497 Anträge von Menschen aus Syrien, gefolgt von 2185 aus Afghanistan. Unter den 12.878 Antragstellern sind 3375 Frauen.
In Betreuung: Drei Gruppen haben Anspruch auf eine Grundversorgung: Personen mit einem laufenden Asylverfahren; Personen mit einem positiven Asylbescheid, die vier Monate weiter versorgt werden; sowie Personen mit negativem Bescheid, die eine Adresse haben und an ihrer Rückführung mitwirken. Insgesamt waren am Donnerstag vergangener Woche 26.865 Menschen in der Grundversorgung. Laut dem Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, wird bis Jahresende eine Steigerung auf rund 30.000 Personen erwartet.
In der Vergangenheit: Den Höchststand von Asylwerbern seit 1999 gab es 2002: In diesem Jahr beantragten 39.354 Personen Asyl, davon 6651 aus Afghanistan und 4466 aus dem Irak. Ab 1992 wurden in Österreich rund 90.000 Bosnier aufgenommen. Bei der Ungarnkrise 1956 nahm Österreich laut dem Büro des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) rund 180.000 Menschen zumindest kurzfristig auf. Nach der Zerschlagung des Prager Frühlings 1968 waren es 162.000.