Das Islamgesetz zwischen Rechten und Generalverdacht
Nach 102 Jahren bekommt Österreich ein neues Islamgesetz. Der Entwurf, der noch bis 7. November in Begutachtung ist, nennt Rechte und Pflichten der Muslime. Kritiker sagen aber, er stelle sie unter Generalverdacht – was die Regierung zurückweist.
Ob Muslime schächten dürfen, sollte keine Frage mehr sein, wenn es nach dem neuen Gesetzestext geht. Denn er regelt, dass Muslime Fleischprodukte „gemäß ihren innerreligionsgesellschaftlichen Vorschriften“ herstellen dürfen. Auch beim Bundesheer, in Kranken- und Haftanstalten soll auf Speisegebote Rücksicht genommen werden. Weiters werden zum Beispiel islamische Friedhöfe geschützt. Dies sind Rechte, die auch anderen Religionen zustehen und unstrittig sein dürften. Es sei kein Widerspruch, Muslim und stolzer Österreicher zu sein, sagt Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz.
Misstrauen
Dennoch gibt es Kritik. Seitens der Islamischen Glaubensgemeinschaft heißt es, die „um sich greifenden Pauschalverdächtigungen gegen Muslime angesichts von Krieg und Terror der IS-Verbrecher scheinen der Hintergrund für in letzter Sekunde vorgenommene Verschärfungen“ zu sein. Der Religionsrechtler Richard Potz, der das Gesetz an sich begrüßt, sagt, es schimmere „ein wenig Misstrauen“ gegen Muslime durch. Kritischer sieht dies der Politologe Thomas Schmidinger: „In keinem anderen Religionsgesetz gibt es einen so starken Fokus auf Extremismusprävention. Das kann zu einer Entfremdung gläubiger Muslime von der österreichischen Gesellschaft führen.“ Extremismusprävention sei wichtig, gehöre aber nicht ins Islamgesetz, sagt der Experte für den politischen Islam. Ein Generalverdacht spiele Extremisten in die Hände, denn die würden Muslimen gegenüber sagen: Die österreichische Gesellschaft will euch nicht, also kommt zu uns.
Diskriminierung?
Schmidinger kritisiert generell die österreichische Praxis, für verschiedene Religionen unterschiedliche gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Das lade zur Diskriminierung ein. Er nennt ein Beispiel: Das neue Islamgesetz verbietet die Finanzierung der Glaubensgemeinschaft aus dem Ausland. „Man kann darüber reden, ob das sinnvoll ist. Aber das muss für alle gelten. Auch manche orthodoxe Kirchen erhalten Mittel aus dem Ausland.“ In diesem Kontext geht es auch um die von der türkischen Religionsbehörde besoldeten Imame in Österreich. Diese können nach dem Gesetzesentwurf nicht mehr in der bisherigen Form tätig sein. Als positiv bewertet Schmidinger, dass der religiösen Realität Rechnung getragen wurde und von mehreren islamischen Religionsgesellschaften die Rede ist. Problematisch könnte dies aber werden, sollte zum Beispiel eine zweite alewitische Gruppe anerkannt werden, die sich mehr vom Islam distanziert hat als die bisher anerkannte Gemeinschaft. „Gilt das Gesetz dann auch für sie?“, fragt Schmidinger. Religionsrechtler Potz weist auf ein weiteres Problem hin: Ein Teil der Schiiten sei innerhalb der Islamischen Glaubensgemeinschaft organisiert, ein anderer in der Islamisch-schiitischen Glaubensgemeinschaft. Das sei keine konsequente Lösung.
Ausbildung
Sowohl Potz als auch Schmidinger begrüßen die im Gesetz vorgesehene islamisch-theologische Ausbildung in Österreich. Der Gesetzesentwurf sieht vor, das ab 2016 an der Universität Wien sechs Stellen für Dozenten vorzusehen sind. Eine andere Frage ist die von Minister Kurz geforderte verbindliche Koranübersetzung. Im Entwurf heißt es, die Religionsgesellschaften hätten im Rahmen ihrer Verfassung einen Text mit den Glaubensquellen (Koran) auf Deutsch vorzulegen. Den von Kurz in die Debatte gebrachten „Einheitskoran“ sieht Schmidinger darin aber nicht. Im Übrigen seien die Koranübersetzungen nie das Problem mit Extremisten gewesen, sondern vielmehr deren Auslegung und Umgang damit.