„Der Vater hat uns alle tief hineingezogen“, sagt Barbara*. Sie kannte ihn als Kind und Jugendliche nur trinkend. Vater, ein Alkoholiker, war familien-bestimmend. Alle schämten sich für ihn. Verzweiflung und Vertuschung waren an der Tagesordnung.
„Bald gab es keinen Tag mehr, an dem Vater nicht rauschig gewesen wäre“, erzählt Barbara* vom Alptraum in der Familie. Zum Trinken kam der Streit. Vater hatte dafür immer einen Grund, nur nicht sein Trinken. Die Mutter weinte viel, flehte ihn an, er soll damit aufhören. „Dass Vater Alkoholiker war, daran haben wir lange nicht gedacht. Das sind doch nur die Sandler“, erinnert sich Barbara an viele Jahre, in denen in der Familie niemand verstanden hat, dass Vater krank ist. Heute ist er trocken, Barbara hofft, dass er durchhält.
Selbsthilfegruppen
Die „Anonymen Alkoholiker“ (AA) haben letzte Woche auf das Thema „Alkoholismus“ aufmerksam gemacht, auch darauf, was die Selbsthilfegruppen der AA dazu beitragen können, dass Alkoholiker nach der Entwöhnung trocken bleiben. Es gibt zudem Gruppen für Angehörige (Al-Anon) und Gruppen für Kinder und Jugendliche, deren Eltern, Angehörige oder Freunde Alkoholiker/innen sind (Alateen).
Familiengeheimnis Alkoholkrankheit
Das Alkoholproblem des Vaters von Barbara wurde zum riesigen Familiengeheimnis. Wenn der Vater nicht zur Arbeit gehen konnte, wurden Ausreden erfunden. Barbara hat keine Freundinnen zu sich nach Hause eingeladen, außer zu Zeiten, von denen sie wusste, dass der Vater nicht da war. Selber ging sie dem Vater aus dem Weg. Mit niemandem konnte sie über ihre Not sprechen. „Mama hat oft versucht, den Vater dazu zu bringen, eine Therapie aufzusuchen. Vergeblich.“ Dann suchte die Mutter schließlich für sich Hilfe bei Al-Anon. Dort erfuhr sie, dass es auch Gruppen für Teenager gibt. Sie schlug ihrer Tochter vor, dort hinzugehen.
Tiefpunkt und Umkehr
Das war zu einem Zeitpunkt, an dem Barbara selbst schon sehr tief gesunken war. „Es war mir alles wurst, und ich hatte auch Selbstmordgedanken.“ Was kann schon schiefgehen, gehe ich halt hin, dachte sich Barbara. Und vom ersten Augenblick an, als sie in die Gruppe kam, „fiel mir ein Riesenstein vom Herzen“: Hier konnte sie die Maske fallen lassen, hier unter lauter Kindern und Jugendlichen mit ähnlichen Erfahrungen. „Die Kinder leiden am meisten unter dem Alkoholismus von Vater oder Mutter. Sie können nicht aus der Familie weglaufen“, blickt Barbara heute auf die Zeit ihrer Familien-Katastrophe zurück. Als die anderen in der Familie begannen, sich wieder um ihr eigenes Leben zu kümmern, nicht mehr um das des Vaters, ist dieser an den Tiefpunkt gekommen. Und von dort aus begann seine Umkehr in ein Leben ohne Alkohol. * Der Name wurde von der Redaktion geändert