Während sich vergangene Woche eine US-Krebspatientin öffentlich angekündigt das Leben nahm, debattieren in Österreich und Deutschland Politiker über Sterben in Würde. In beiden Staaten geht es um Entscheidungen – wenn auch unterschiedliche.
Die parlamentarischen Prozesse in Österreich und Deutschland haben an sich nichts mit dem Selbstmord der Krebspatientin Brittany Maynard (29) im US-Bundesstaat Oregon zu tun. Und in Österreich geht die Debatte derzeit um einen anderen Aspekt, auch wenn es Kräfte wie einen – nicht genehmigten – Verein gibt, welche das österreichische Nein zur Sterbehilfe aufweichen wollen. Die parlamentarische Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“ befasste sich vergangenen Freitag bei ihrer ersten Anhörung mit zwei Themen: Die Verbesserung von Palliativversorgung in Österreich und eine eventuelle Absicherung der Rechtslage. Bei der Anhörung sprachen sich Vertreter aller Parlamentsparteien für eine Verbesserung der Pflege und Begleitung sterbender Menschen aus. Geladen waren auch Experten wie Elisabeth Steiner vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Waltraud Klasnic als Vertreterin des Hospizdachverbandes, Harald Retschitzegger, Präsident der Palliativgesellschaft, sowie Michael Landau von der Caritas und Michael Chalupka von der evangelischen Diakonie. Chalupka betonte zwar auch ein Nein zur aktiven Sterbehilfe, trat aber für „Barmherzigkeit“ in einzelnen, extremen Fällen bei Beihilfe zum Suizid ein.
Warnung
Günter Virt, katholischer Moraltheologe und Mitglied der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien, warnte in seinem Statement mit Nachdruck vor einer überzogenen Ansicht zur Autonomie. Im Gespräch mit dieser Zeitung erläuterte er, was damit gemeint ist: „Die Autonomie des Patienten ergibt sich aus der Menschenwürde. Das bedeutet zum Beispiel, dass niemand gegen seinen Willen behandelt und so der Sterbeprozess künstlich hinausgezögert wird. Autonomie ist in diesem Sinne ein Abwehrrecht und mit dem Gesetz zur Patientenverfügung in Österreich gut geregelt. Macht man aber aus der Autonomie ein Anspruchsrecht, sodass jemand ein Recht zu sterben hätte, kippt die Autonomie in ihr Gegenteil. Der Sterbende sieht sich dann einem unkontrollierbaren Druck ausgesetzt, zum Beispiel, niemandem zur Last zu fallen.“ Daher riet Virt, die geltende gesetzliche Regelung in Österreich abzusichern. Er verwies auf Situationen in den Niederlanden oder in Belgien, wo der Tötung auf Verlangen immer mehr die Tür geöffnet wurde. In Belgien ist seit heuer die sogenannte Sterbehilfe bei Kindern möglich. Auch ein seit 30 Jahren inhaftierter Mörder und Vergewaltiger verlangt dort seinen eigenen Tod.
Verfassungsrecht?
Mehrmals zitiert wurde bei der Enquete ein Brief von Kardinal Franz König an die Mitglieder des Österreich-Konvents aus dem Jahr 2004, in dem es heißt: „Menschen sollen an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen.“ König sprach sich dafür aus, das Verbot der Tötung auf Verlangen in den Verfassungsrang zu heben. Kardinal Christoph Schönborn bekräftigte vergangene Woche genau diese Haltung. Um das Thema der Absicherung der Rechtslage soll es zu einem späteren Zeitpunkt in den Beratungen der Enquete gehen – wobei die Haltung der Parteien unterschiedlich ist: Nicht jeder ist für eine Regelung in der Verfassung.
Deutschland
Anders ist die Diskussion in Deutschland gelagert. Dort wird sich der Bundestag diesen Donnerstag (13. November) mit der Frage beschäftigen, wie man mit der Beihilfe zur Selbsttötung umgehen soll. Darum handelte es sich ja genau genommen beim Tod der eingangs erwähnten Brittany Maynard: Im US-Bundesstaat Oregon konnte ihr ein Arzt völlig legal die todbringenden Medikamente verschreiben. In Deutschland ist die Beihilfe zur Selbsttötung – anders als in Österreich – nicht verboten, allerdings bewegen sich Ärzte, die dies durchführen, in einem gesetzlichen Graubereich und können mitunter belangt werden. Die Vorstellungen der deutschen Politiker gehen hier auseinander. In die Diskussion hinein spielt die Lage in der Schweiz. Dort ist Beihilfe zum Selbstmord erlaubt. Als Folge davon gibt es dort Organisationen, die Beihilfe zur Selbsttötung „anbieten“.
Türöffner
Moraltheologe Virt sieht darin einen Türöffner für Tötung auf Verlangen: „Rechtlich mag es einen Unterschied machen, wer das todbringende Medikament verabreicht. Für eine ethische Bewertung ist das aber nicht entscheidend. Was passiert außerdem, wenn jemand sich das Medikament nicht selbst verabreichen kann und deshalb vor einem Gericht wegen Diskriminierung klagt?“ Virt tritt dafür ein, dass der Begriff „Sterbehilfe“ wieder seine ursprüngliche Bedeutung bekommt: Begleitung der Sterbenden, nicht ihre Tötung.
Rechtslage in Österreich
In den Paragrafen 77 und 78 des österreichischen Strafgesetzbuches sind sowohl aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) als auch die Beihilfe zur Selbsttötung verboten. Erlaubt ist die sogenannte passive Sterbehilfe – der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen. Dazu muss eine klare Willenserklärung des Patienten/der Patientin vorliegen. Sollte er nicht mehr ansprechbar sein, kann diese aufgrund einer Patientenverfügung geschehen. Möglich ist auch die sogenannte indirekte Sterbehilfe: Ziel ist die Linderung von Schmerzen auch dann, wenn das Risiko besteht, dass durch die verabreichten Medikamente der Tod (schneller) eintritt. Entscheidend ist, dass der Tod nicht das Ziel des Vorgehens ist und eine Willenserklärung des Patienten/der Patientin vorhanden ist.
Palliativmediziner Johann Zoidl im Interview zum Thema Sterbehilfe: Notwendige Begleitung von Sterbenden