Das Leben in den Trockengebieten im Nordosten Brasiliens ist hart. Der Umweltmanager und Theologe Johann Gnadlinger setzt sich seit 24 Jahren dafür ein, die Trinkwasserversorgung in dieser Region zu verbessern. Und er zeigt, wie man trotz Dürre gut leben kann.
Sie reichen nicht sehr tief, doch sie sind weit verzweigt – die Wurzeln der Umbu-Bäume. Ihre Knollen können Wasser speichern. Das lässt diese Hölzer in den halbtrockenen Regionen im Nordosten Brasiliens wachsen, gedeihen und Früchte tragen. In der Trockensavanne, der so genannten Caatinga, fällt Regen nur selten und unregelmäßig, etwa vier Monate im Jahr. Dazu kommt, dass die Niederschläge rasch verdunsten. Alle 25 Jahre treten längere Dürreperioden auf, die letzte ist jetzt erst zu Ende gegangen. Nach drei Jahren.
Wissen
Die Natur hat sich diesen klimatischen Bedingungen im Hinblick auf die Trockenzeiten angepasst. Die Menschen tun es ihr seit geraumer Zeit nach. Einer der sie dabei unterstützt ist Johann Gnadlinger. Der Theologe und Umweltmanager aus Oberösterreich arbeitet seit 24 Jahren bei IRPAA, dem regionalen Institut für angepasste Kleinbauernlandwirtschaft und Tierhaltung, mit Sitz in Juazeiro da Bahia. „Um hier gut leben zu können braucht es Wissen – über die speziellen klimatischen Gegebenheiten, über die vorhandenen Mittel, über die angepassten Produktionstechniken“, so Johann Gnadlinger.
Die Dürre überstehen
Im Mittelpunkt der Arbeit von IRPAA steht ein Leben in Einklang mit der Natur trotz der belastenden Bedingungen des Trockenklimas. Mit der Dürre zu leben und der Wasserknappheit entgegenzuwirken ist möglich – mit dem Bau von Zisternen, in denen Regenwasser aufgefangen und gespeichert wird; mit dem Anlegen von Brunnen, dort, wo sich Wasser tief in der Erde verbirgt; mit der Haltung von Ziegen und Schafen anstatt Rindern, denn die Kleintiere fressen die Blätter der Büsche und Sträucher, die hier auch in der Trockenzeit wachsen; mit dem Anbau von Pflanzen, die in der Region gedeihen und nur wenig Wasser brauchen, etwa der Umbu-Baum mit seinen Früchten, die von den Kleinbäuerinnen zu Marmelade und Saft verarbeitet werden.
Lernen
Das Institut bietet den Bäuerinnen und Bauern Schulungen im Bereich Wasserversorgung, Tierhaltung, Obst- und Gemüseanbau an, so Johann Gnadlinger. „Um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben müssen auch Kinder und Jugendliche in den Schulen mit einbezogen werden. So haben wir im Laufe der Jahre den Einfluss geltend gemacht, Schulbücher und Lehrpläne zu ändern und auf die klimatische Situation in der Region abzustimmen, damit die Schüler ihre Heimat besser kennenlernen.“
Erfolge
Die Auswirkungen dieser erfolgreichen Arbeit tragen Früchte. „In der Vergangenheit sind in Dürrezeiten viele Menschen gestorben. Weil sie kein Wasser hatten oder es verunreinigt war. Dazu ist es jetzt nicht mehr gekommen. In den letzten 24 Jahren hat sich in der Entwicklungshilfe einiges geändert – mit Unterstützung von Organisationen wie Horizont3000, für die ich lange Zeit gearbeitet habe. Gab es früher mehr isolierte Projekte, haben verschiedene NGOs diese im Laufe der Zeit zu einem Großprojekt zusammengeschlossen.“ Ein solches ist das Programm „Eine Million Zisternen“, das bis 2015 fünf Millionen Menschen im ländlichen semiariden Gebiet mit sauberem Trinkwasser versorgen soll. Derzeit sind 700.000 Zisternen fertiggestellt.
Flussumleitungen
Schon seit vielen Jahren ist die Verteilung des Wassers in dieser Region ein Problem. Umstritten ist das Flussumleitungsprojekt des Rio São Francisco, welches die Situation in den Dürregebieten verbessern soll. Doch die Bevölkerung profitiert davon nicht. Es dient zum Großteil der Bewässerung riesiger Monokulturflächen in der Agrarindustrie wie Zuckerrohrplantagen der Großunternehmen. Um das Flussumleitungsprojekt zu verhindern, setzte der Bischof von Barra, Dom Luiz Cappio, schon zweimal mittels Hungerstreik ein Zeichen des Widerstands.
Bibelarbeit
Die Zeit der Dürre fließt auch in die Bibelarbeit ein. Jedes Jahr bieten Priester, Ordensschwestern und Laien vom Verein der Missionarinnen und Missionare in Nordostbrasilien Bibelkurse auf Grundlage der Befreiungstheologie für Jugendliche und Erwachsene an. „Spezielle Bibelstellen, mit denen sich die Leute identifizieren können und die auf die schwierigen Situationen und Problematiken in ihrem Alltag hinweisen, werden von uns aufgegriffen. Da wird das ganze Leben mit einbezogen. Die Bibeltexte zeigen auf, dass die Natur dabei hilft, zu leben und zu überleben. Wir gehen dabei von der Lage in Israel aus, wo auch semiarides Klima herrscht, und vergleichen es mit den Trockengebieten bei uns in Brasilien“, erzählt der Theologe, der in Juazeiro Bibelkurse hält.
Verwurzelt
Wie der Umbu-Baum, so sind auch die Menschen fest mit dieser halbtrockenen Gegend verwurzelt. Im semiariden Gebiet, das so groß ist wie Deutschland und Österreich zusammen, leben 22 Millionen Menschen, die Hälfte davon als Kleinbauern auf dem Land. Auch Johann Gnadlinger hat hier Wurzeln geschlagen. Seit 1977 lebt und arbeitet er bereits in dem südamerikanischen Land, ist mit einer Brasilianerin verheiratet und hat zwei Töchter. Obwohl der Umweltmanager mit Ende 2013 in Pension ging, ist er nach wie vor im 120-köpfigen Team von IRPAA als Berater aktiv tätig. Für seinen Einsatz als Entwicklungshelfer in Brasilien ist Johann Gnadlinger heuer mit der Verdienstmedaille des Landes Oberösterreich ausgezeichnet worden.